Die Umsetzung eines Urteils bringt Verbesserungen, allerdings ist die Ausführung nicht weitreichend genug.
Das Handelsgericht Wien hat im Mai 2023 klar festgestellt, dass die bis dahin geltenden Zugangsvoraussetzungen zu Persönlicher Assistenz im Bildungsbereich diskriminierend waren. Ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung sah vor, dass Persönliche Assistenz Schüler*innen an Bundesschulen mit Körperbehinderung und hohen Pflegegeldstufen vorbehalten war. Schüler*innen mit Lernschwierigkeiten, psychosozialen Behinderungen oder geringerem Pflegebedarf wurde der Zugang zu Persönlicher Assistenz vorenthalten.
Als Reaktion auf das Urteil wurde die Persönliche Assistenz an Bundesschulen kürzlich mit einem Erlass des Bildungsministers neu geregelt. Diese kann nun auch von der vorher ausgeschlossenen Personengruppe in Anspruch genommen werden. Der Pflichtschulbereich ist jedoch ausdrücklich nicht von der neuen Regelung umfasst.
Bislang hat das Bildungsministerium diese neue Regelung noch nicht breit kommuniziert. Damit Menschen mit Unterstützungsbedarf dieses Unterstützungsangebot auch in Anspruch nehmen können, müssen sie über die Änderungen informiert werden – und zwar umfassend.
Chancengleichheit braucht Unterstützung
„Der aktuelle Erlass des Bildungsministeriums ist zu begrüßen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie dieser umgesetzt wird. In Kindergärten und Pflichtschulen erhalten die Kinder und Jugendlichen Unterstützungsleistungen durch die Länder und Gemeinden. Dabei gibt es hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen und des Umfangs der vorhandenen Angebote große Unterschiede. Die Verbesserungen, die der neue Erlass mit sich bringt kommen also nur einem Teil der Menschen mit Unterstützungsbedarf in Bildungsbereich zugute“, erklärt Behindertenanwältin Christine Steger. „Hinzu kommt, dass in der neuen Regelung vorgesehen ist, die Unterstützung von Kindern aus dem Bereich Autismus zu deckeln. Das ist absolut nicht mit den Zielen der UN-Konvention im Hinblick auf angemessene Vorkehrungen zu vereinbaren und daher abzulehnen. Assistenz und Unterstützung im Schulbereich muss bedarfsgerecht, passgenau und anlassbezogen zur Verfügung gestellt werden.“
Ausgrenzung ist an der Tagesordnung
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten. Dieses soll es Menschen mit Behinderungen ermöglichen, ihre Fähigkeiten, Kreativität und Fähigkeiten voll zur Entfaltung zu bringen.
„Der Verwirklichung dieser Verpflichtung steht entgegen, dass das österreichische Bildungssystem noch immer in weiten Teilen von Ausgrenzung geprägt ist. Das System der Sonderschulen, dass in Österreich selbst im 21. Jahrhundert noch hartnäckig aufrechterhalten wird, führt zwangsläufig zur Stigmatisierung von Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf. Diese Ausgrenzungserfahrungen und mangelnde Unterstützung führen oft dazu, dass ein sonst erreichbarer höherer Bildungsabschluss verunmöglicht oder gar nicht erst angestrebt wird. Das widerspricht eklatant den Zielen der UN-Konvention“, führt Steger aus.
Kooperation führt zu Inklusion
Wie kann Chancengleichheit im Bildungsbereich gewährleistet werden? Eines steht fest: Da Bund, Länder und Gemeinden in diesem Bereich zusammenwirken, bedarf es ihrer intensiven Zusammenarbeit, um die notwendigen Strukturreformen auf den Weg zu bringen. Dies stellen auch die Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses nach der zweiten Staatenprüfung klar: Die Länder messen den Zielen der Konvention kaum oder zu wenig Bedeutung bei.
„Der Weg zu dem Ziel eines diskriminierungsfreien und inklusiven Bildungssystems für alle ist noch weit. Die Annäherung daran gleicht aufgrund großer Beharrungskräfte meist einem Hindernislauf. Die Öffnung der Persönlichen Assistenz im Bildungsbereich ist dabei ein wichtiger und überfälliger Schritt in die richtige Richtung“, so die Behindertenanwältin.