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In Rumänien leben viele Menschen mit Behinderungen – isoliert und ohne spezielle Förderung bei ihrer Familie. Im Gespräch mit Cristina Costea, Leitung Diakoniewerk Rumänien, sprechen wir über gesellschaftliche Teilhabe, Authentizität und was wir voneinander lernen können.

„Ich habe diese Tage ein Sprichwort gehört: ‚People protect what they love, they love what they understand, and they understand what they are taught‘ von Jacques-Yves Cousteau. Ich finde, die Gesellschaft muss Menschen mit Behinderungen kennenlernen, einfach von Person zu Person, die persönliche Geschichte erfahren. Sie sind für mich wie Botschafter:innen für eine positive Lebenseinstellung und das Authentische im Menschen. Sie erinnern uns daran, dass wir einfach sagen können, was uns beschäftigt“, so Cristina Costea zu Beginn des Interviews.

Wie können diese Begegnungen passieren?

Unser Ziel ist, dass Menschen mit Behinderungen genauso am kulturellen Leben der Stadt teilnehmen können – mehr noch, dass sie auch als Künstler:innen wahrgenommen werden in ihren Performances. Die Arbeit von Künstlerin Teresa Leonhard und Therapeutin Bianca Babes im Kontext der Tanz- und Theaterprojekte der letzten Jahre bildete hierfür einen wichtigen Anfang, auf dem wir aufbauen konnten.

Wie ist das gelungen?

Wir haben in die Gesellschaft hineingeblickt, neue Kontakte gesucht, um verschiedenste Freizeitaktivitäten zu etablieren. In erster Linie ging es uns darum, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen prägt und verändert Sichtweisen. Die Workshopleiter:innen nehmen das mit in ihre Community und werden zu Multiplikator:innen für Teilhabe. So will der Sportlehrer die Basketball-Mannschaft als inklusives Sportangebot weiterführen. Das Theaterstück von Bianca Babes ist mittlerweile Tradition im 25-Stunden-Theaterfestival. Und im Bürgermeisteramt in Sibiu haben wir nun die dritte Ausstellung am Laufen.

Gibt es Herausforderungen am Weg zu mehr Teilhabe?

Es ist immer eine Herausforderung, Veranstaltungsorte zu finden, die keine baulichen Barrieren haben. Und bei unseren Veranstaltungen erreichen wir wenig Öffentlichkeit, das ist schade. Die Projekte mit Künstlerin Teresa Leonhard wie LEGENDEN Ende 2019 waren ein großer Erfolg, weil sie als öffentliche, große Kunstperformances präsentiert wurden.

Wie kann die soziale Teilhabe abseits solcher Projekte weiter gehen?

Wir hoffen, dass die Gesellschaft selbst beginnt, inklusiver zu denken und mehr Angebote auf die Beine zu stellen – für Menschen mit und ohne Behinderungen. Konkret, dass uns bekannte Workshopleiter:innen auch selbst aktiv werden. Wir haben die letzten Jahre Impulse gesetzt, doch am Ende sind wir in unserer Rolle kein „Veranstalter“, sondern sozialer Dienstleister. Wir haben einen „Raum“ aufgebaut und hoffen, dass dieser weiterhin bespielt wird.

Braucht das nicht Zeit?

Ja, natürlich, deshalb werden wir dranbleiben und versuchen jedes Jahr wenigstens eine Veranstaltung zu organisieren, die einen realen Kunstwert darstellt. Dadurch hoffen wir, Mitleid in Neugier und gegenseitige Wertschätzung ummünzen zu können. Jede Veranstaltung, jeder Workshop heißt, etwas Neues zu lernen, eine neue Person kennenzulernen und mit ihr verschiedene Themen zu bearbeiten. Es bedeutet, Kreativität, Gemeinschaft und Selbstwert zu erleben.


Die Werkstätten des Diakoniewerks in Sibiu und Sebeş bieten sinnvolle Beschäftigung für Menschen mit leichten bis schweren bzw. mehrfachen geistigen Behinderungen und Personen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht oder nur teilweise ihren Platz finden. Die begleiteten Personen arbeiten entsprechend ihrer Fähigkeiten und entfalten persönliche Talente und Interessen. 

Im Jahr 2006 konnte die erste Werkstätte in Sibiu eröffnet werden. 2011 wurde eine Werkstätte in Sebeş geründet. 

Zu den Websites: Werkstätte Sibiu und Werkstätte Sebeş