Arbeitsplätze anpassen, nicht Menschen!
Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, für Menschen mit Behinderungen ist es in der Behindertenrechtskonvention verbrieft (Artikel 27). Die Diakonie nimmt den Downsyndrom-Tag zum Anlass, um auf Defizite bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt hinzuweisen und Maßnahmen einzumahnen.
„Menschen mit Behinderungen begegnen immer noch Vorurteilen, was ihre beruflichen Fähigkeiten angeht“, konstatiert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Und es fehlt an Unterstützungsleistungen, die berufliche Teilhabe ermöglichen würden – je nach den jeweiligen persönlichen Stärken und Fähigkeiten. So bleibt das Potenzial von Menschen mit Behinderungen ungenutzt. Eine Verschwendung, nicht zuletzt in Zeiten steigenden Personalmangels.“
Ziel sei ein inklusiver Arbeitsmarkt, auf dem Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, durch eine Beschäftigung mit Sozialversicherung ihr eigenes Geld zu verdienen und ihre Arbeit frei wählen zu können. „Von diesem Ziel ist Österreich weit entfernt“, erklärt die Diakonie-Direktorin und nennt Schritte, die Österreich diesem Ziel näherbringen.
Forderung 1: Assistenz
„Um Inklusion zu erreichen, muss es für Menschen mit Behinderungen möglich sein, die jeweils individuell nötige Assistenz zu bekommen“, fordert Diakonie Direktorin Moser. Assistenz kann heißen, bei der Arbeit eine Person zur Seite zu haben, die bei den anfallenden Tätigkeiten begleitet und unterstützt und im individuellen Fall auch zwischendurch Pflegetätigkeiten (wie Unterstützung beim Toilettgang o.ä.) versieht. Ebenso muss für Menschen ohne Lautsprache der Zugang zu assistierenden Technologien und technische Unterstützung für die Kommunikation möglich sein.
Forderung 2:Arbeitsfähigkeit versus Arbeits-Unfähigkeit
Bisher wird einer großen Anzahl an Menschen mit Behinderungen schon bald nach der Schule die sogenannte dauerhafte „Arbeitsunfähigkeit“ attestiert, obwohl sie den Willen und die Fähigkeit haben zu arbeiten. Das bedeutet für sie, dass sie nie einen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt haben werden. So bleiben viele im System der „Behinderten-Werkstätten“ hängen, wo sie möglicherweise unterfordert sind und es weder Entlohnung noch Sozialversicherung gibt.
Die Diakonie fordert, dass die „Arbeitsunfähigkeit“ als frühestens ab 25 Jahren attestiert wird.
Forderung 3: Durchlässigkeit am Arbeitsmarkt
Um Inklusion am Arbeitsmarkt zu erreichen, ist „eine der wichtigsten Forderungen, dass es möglich sein muss, den Arbeitsmarkt durchlässig zu gestalten“, betont Moser. Bisher ist es so, dass wenn ein Versuch einer Arbeitsaufnahme auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt scheitert, die Rückkehr in die Beschäftigungswerkstätte nicht mehr möglich ist. „Erst wenn der Arbeitsmarkt durchlässig wird und die Rückkehr in Werkstätten gesichert ist, können Menschen nach ihren Fähigkeiten arbeiten und dabei zwischen unterstützten Formen der Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln“.
Forderung 4: Lohn statt Taschengeld
Menschen, die arbeiten können und möchten, wollen für ihre Arbeit im Rahmen von Integrativen Beschäftigungsprojekten und in Werkstätten auch entlohnt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sie ihre (für Assistenz und anfallende Pflegeleistungen) dringend benötigten Sozial- und Gesundheitsleistungen nicht verlieren. Deshalb fordert die Diakonie, dass eine Kombination aus Lohn und Sozialleistungen möglich wird und alles, was an Unterstützungsleistungen gebraucht wird, über einen Inklusionsfonds finanziert wird.
Zwei Beispiele wie inklusive Arbeit gelingen kann:
Andrea ist in Betrieben und in der Gemeinde ihres Wohnortes tätig
Andrea (25) ist eine Anpackerin. Und das, obwohl sie an chronischen Schmerzen leidet. Sie ist in einer inklusiven Form der „Behindertenwerkstätten“ der Diakonie tätig, die sich „integrative Beschäftigung“ nennt. Hier ist es möglich, nach den eigenen Fähigkeiten Tätigkeiten in Betrieben und in der Gemeinde ihres Wohnortes zu verrichten. An einem Vormittag pro Woche ist sie in einem Hotel im Frühstücksservice tätig, an anderen Tagen bereitet sie in einer Schule Sandwiches fürs Jausenbuffet vor und verkauft sie auch dort. Andreas körperliche Belastbarkeit reicht für eine halbtägige Arbeit aus. „Andrea versieht ihre Arbeit mit vollem Einsatz und wird von ihrem Umfeld als große Unterstützung und Bereicherung gesehen“, unterstreicht die Personalchefin des Hotels.
Für Andrea wäre es wichtig, für ihre Arbeit entlohnt zu werden, gleichzeitig aber ihre Sozial- und Gesundheitsleistungen weiter beziehen zu können. Erst dann wäre ein selbstbestimmtes Leben ohne die tägliche (finanzielle) Unterstützung ihrer Eltern möglich.
Coole Küche schafft Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen
In der Großküche der Diakonie in Kärnten werden jeden Tag über 4.000 Portionen Essen hergestellt und verteilt. Menschen in Krankenhäusern, in Kindergärten, Schulen und auch zuhause bekommen täglich pünktlich ihre auf sie abgestimmte Mahlzeit auf den Teller.
Dafür sorgen fast 100 Mitarbeiter:innen mit und ohne Behinderungen. Die Großküche “Küche Waiern” der Diakonie in Kärnten ist aber nicht nur inklusiv, sondern sie ist “Cool+”. Das bedeutet, dass dort “sechs Mitarbeiter:innen mit Behinderungen erstmals entsprechend dem Gastronomie Kollektivvertrag beschäftigt und entlohnt werden können, und das, obwohl sie weiterhin nach gesetzlicher Definition “arbeits-unfähig” gelten”, erklärt Michael Strauß, Assistent und Anleiter der 6 Mitarbeiter:innen mit Behinderungen im Rahmen des Projektes “cool+” in der Küche der Diakonie.
Als “arbeitsunfähig” sehen sich Florin Dimitrow und Sabrina Ritschel aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Sie arbeiten täglich in der Kärntner-Nudel-Produktion und sind stolz auf ihre Produkte. “Ich find super, dass wir bei cool+ jetzt wirklich eine fixe Arbeit haben und einen richtigen Lohn verdienen, und auch versichert sind“.