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„Pflege ist nur die halbe Miete – Wie die die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden die Altenarbeit verändern.“ So lautete der Titel der 17. Diakonie-Dialoge, ein Fachsymposion zu Fragen der Altenarbeit, das heute, Freitag, 1. Juli, von 9 bis 14 Uhr in der voestalpine Stahlwelt in Linz stattfand und vom Evangelischen Diakoniewerk Gallneukirchen veranstaltet wurde. Fachleute aus Deutschland und Österreich beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten rund um die Frage, wie die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren die Altenarbeit, insbesondere im Wohnen, verändern.
In ihren Begrüßungsworten erklärte die Rektorin des Diakoniewerks, Mag.a Christa Schrauf: „Menschen, ob jung oder alt, möchten am Leben in seiner ganzen Fülle teilhaben, zu keinem Zeitpunkt nur satt und sauber sein und es warm haben, sondern wollen immer wertgeschätzt werden, Gemeinschaft erleben, Kultur genießen und ihre individuellen Vorstellungen von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung umsetzen.“ Daher brauche es bei denjenigen, die Menschen im Alter begleiten, eine große Offenheit und ein ausgeprägtes Sensorium für die jeweilige Lebenswelt dieser Menschen. 
Diplom-Sozialwissenschaftlerin Karla Kämmer sieht die größte Herausforderung in der Zukunft der Altenarbeit darin genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen, „nicht irgendwelche, sondern die Richtigen“, wie sie betont. Aufgabe der Unternehmen sei es, durch Glaubwürdigkeit diese Mitarbeiter zu binden, ihnen klare Verantwortlichkeiten zu geben, ihre Ressourcen an der richtigen Stelle einzusetzen und ihnen zu vermitteln, wie wichtig ihr Beitrag für das Gelingen des Ganzen – das Wohlbefinden des Menschen im Alter – ist. Wenn Mitarbeiter diesen Sinn in ihrer Arbeit finden, wenn sie begeisterungsfähig sind, dann können sie auch mit sich verändernden Bedingungen gut umgehen. In der Begleitung der Menschen im Alter fordert sie ein verstärktes Fokussieren auf deren Bedürfnisse. Pflege solle diskret geschehen, wertschätzende Beziehungs-gestaltung, die Aufrechterhaltung von Alltagsabläufen, Kompetenzförderung und eine autonome Lebensgestaltung müssten im Vordergrund stehen.

„Pflege ist eine Dienstleistung, nicht Lebensinhalt!“

„Lebensqualität setzt eine Lebenssituation voraus, in der Bedürfnisse nach Sicherheit, sozialer Zugehörigkeit und nach Selbstverwirklichung befriedigt werden können. Der entscheidende Indikator für Lebensqualität ist das individuelle Wohlbefinden, das einer rein subjektiven Beurteilung unterliegt.“ Das erklärte Norbert Mätzke, langjähriger Leiter eine Einrichtung in Fellbach nahe Stuttgart und Organisationsberater im Bereich stationärer und ambulanter Altenhilfe. Er stellte fest, dass Lebensqualität im Alter weit mehr als Pflegequalität umfasst und plädierte dafür, die Qualität stationärer Einrichtungen nicht vorrangig an der Pflegequalität festzumachen. „Pflege ist eine Dienstleistung, nicht Lebensinhalt!“ betont Mätzke. Die Organisationsstruktur herkömmlicher Pflegeheime orientiere sich nach wie vor am Leitbild einer Klinik. Ein starker Fokus auf Pflege und daraus resultierende Wertehaltungen prägen damit das Erleben und Verhalten von BewohnerInnen und MitarbeiterInnen. „Erst wenn Pflegeheime zu Lebensorten werden, entstehen die Voraussetzungen für gute Lebensqualität mit all ihren Facetten. Dies erfordert einen Entwicklungsprozess, der sich vorrangig an der Logik des Alltags und nicht mehr an der Logik der Pflege orientiert. Wohngemeinschaftskonzepte sind ein Schritt auf diesem Weg, Pflegeheime herkömmlicher Art haben keine Zukunft“, ist Mätzke überzeugt. „Der Anspruch auf Selbständigkeit, Selbstbestimmung, Teilhabe und Beteiligung besteht unabhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit. In pflegenden Berufen müssen wir mit dem, den wir pflegen, gleichberechtigt umgehen!“
Dr.in Daniela Palk, Kompetenzmanagement Altenhilfe im Diakoniewerk, und DGKS Manfred Schmidhuber, Leitung Haus für Senioren Wels des Diakoniewerks, stellten in ihrem Beitrag fest, dass sich die Bedürfnisse von Menschen im Alter nicht von denen anderer Altersgruppen unterscheiden und sich auch nicht grundsätzlich verändern, wenn sie dann von ihrer Wohnung in ein Altenheim wechseln. „Die Altenarbeit muss sich verändern und die Menschen zunehmend stärker dabei unterstützen ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. In erster Linie müssen die BewohnerInnen darin unterstützt werden, dies möglichst lange selbst zu tun. Wo das aber nicht mehr möglich ist, benötigt es die Begleitung und Unterstützung von MitarbeiterInnen. Diese sind dabei zunehmend mehr gefordert interdisziplinär zu arbeiten und müssen verstärkt an die Lebenskompetenzen der BewohnerInnen anknüpfen“, so Daniela Palk. Manfred Schmidhuber stellte dazu fest, dass MitarbeiterInnen, die nur in Pflegestrukturen denken können, in der Altenarbeit fehl am Platz sind. Er kritisierte dabei auch, dass die Ausbildung in der Altenarbeit oft zu pflegelastig sei und dass sich auch die Pflegegeldeinstufung der Menschen im Alter zu sehr an der Pflegestruktur anstatt an den psychosozialen Bedürfnissen orientiert.

„Kooperation lautet das Schlagwort!“

Medizinalrat Dr. med. Klaus Zitt präsentierte sein seit 19 Jahren erfolgreiches Modell der Integrierten Altenpflege in Ludesch/Vorarlberg. „Als Grundsatz gilt: Allen Bewohnern der Gemeinde ein Leben in gewohnter Umgebung zu ermöglichen und dabei die pflegenden Angehörigen mit flexiblen ambulanten und teilstationären Diensten zu unterstützen“, fasste er die Zielsetzung des Modells zusammen. Ausgehend von der Kurzzeitpflegestation IAP Ludesch als Dienstleistungs- und Organisationsplattform, die diese Zielsetzung absichert, gibt es eine auf drei Säulen beruhende vielfältige Angebotspalette. Die erste Säule ist der ambulante Bereich mit Mobilen Diensten, Essen auf Rädern, Leihbehelfen, etc. Der öffentliche Bereich des Sozialzentrums als zweite Säule fungiert als Beratungs-, Informations- und Koordinationsstelle, hat auch eine Praxis für Physiotherapie und einen Mittagstisch und bietet vielfältige Veranstaltungen für SeniorInnen an. Die IAP Kurzzeitpflegestation als dritte Säule bietet Kurzzeitpflegebetten an, z.B. wenn pflegende Angehörige Urlaub machen wollen, bei Krisen wegen akuter Erkrankung, Nachbetreuung nach Krankenhaus-aufenthalten etc. In der Kurzzeitpflegestation ist auch eine Tagesbetreuung untergebracht. Dazu kommen noch Wohnangebote in Pensionen und in einer WG. Alle Angebote der Integrierten Altenpflege arbeiten eng mit externen Partnern in der Region wie Krankenpflegeverein, Mobiler Hilfsdienst, Ärzten u.a. zusammen und werden von einer einzigen Stelle aus koordiniert. „Konkurrenz ist uns fremd. Kooperieren lautet das Schlagwort“, betont Zitt. Das Modell wurde mittlerweile ausgebaut und seit Beginn 2011 die Angebote auf die ganze Region mit mehreren Orten um Ludesch ausgeweitet.
(von www.diakoniewerk.at)