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Andreas Ettrich ist ein junger Mann mit sonnigem Gemüt, der sein Auto über alles liebt. Doch wenn ihm etwas nicht recht ist, dann wirft er mit seinem Auto um sich. “Wieso sagt er nicht einfach etwas?”, fragt sich der/die Unwissende. Er kann es nicht. Herr Ettrich erkrankte mit drei Jahren an einem Gehirntumor. Seither hat der heute 22jährige eine mehrfache Behinderung. Zum internationalen Tag der Pflege am 12. Mai will seine Betreuerin Eva Gruber aufzeigen, dass die Arbeit von Andreas Ettrich und seinen KollegInnen einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft darstellt.

Kommunikationsmittel Spielzeugauto

Andreas` Kommunikationsmittel ist sein Spielzeugauto. Er verbindet damit seine Emotionen und bringt diese damit zum Ausdruck. So bedeutet ein gerade gestelltes Auto z.B. “es geht mir gut”, während ein auf den Kopf gestelltes Auto “mir geht es schlecht” heißt.

Mehr als `nur` Pflege

Andreas wird in der Mosaik Tagesstätte Körösi in Graz betreut. Die engagierte Mitarbeiterin Eva Gruber stellt immer wieder fest, dass in der Öffentlichkeit einige Klischees über die Arbeit in Tagesstätten vorherrschen: “Manche Leute glauben, dass eine Tagesstätte ein Ort ist, an dem beeinträchtigte Menschen `nur` gepflegt und `verwahrt` werden. In unserer Arbeit ist jedoch ganz wesentlich, dass hier Leben, Alltag und Förderung stattfindet.”
Karin Skarget, die Leiterin der Tagesstätte, ergänzt weiter: “Man darf nicht vergessen, dass auch die Pflegehandlung an sich nichts Passives ist. Im Gegenteil – das ist eine Höchstleistung für Menschen die motorisch und kognitiv beeinträchtigt sind.”
Auch mit eingeschränkten sensomotorischen Fähigkeiten kann man sein Leben eigenverantwortlich führen. Besonders wesentlich ist dabei die Erfahrung, dass jede erbrachte Arbeit geschätzt wird. Für jeden Menschen ist es wichtig, dass er durch verschiedene Handlungen seine Fähigkeiten sinnvoll erweitern kann. Die Lebensbedingungen für einen Menschen mit schwerster Beeinträchtigung müssen so verändert werden, dass er oder sie aktiv mitwirken kann.

Alltäglich? Oder doch nicht?

Der Schwerpunkt der Mosaik Tagesstätte Körösi besteht aus alltäglichen Abläufen wie z.B. Kochen, Wäschedienst, Körperpflege, das Gestalten von Festen im Jahreskreis, gemeinsames Essen uvm. Nur durch solche “Kleinigkeiten des Alltags” sichern wir unser tägliches (Über-)Leben und damit die Teilhabe an der Gemeinschaft. Durch solche Tätigkeiten können alle Menschen – also auch Neugeborene, Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen, Alte Menschen… – für Teilbereiche mitverantwortlich gemacht werden. “Alltagshandlungen sind immer sinnvoll, auch wenn man es selbst oft nicht so empfindet”, macht Karin Skarget deutlich.
Andreas Ettrich wirkt bei vielen Alltagsarbeiten mit. “Ich organisiere den Alltag für Andreas so, dass ein mitgestaltendes Handeln möglich wird”, erzählt seine Betreuerin Eva Gruber.
Ein Teilbereich in der Mosaik Tagesstätte Körösi ist das Kochen. Andreas Ettrich kocht regelmäßig für seine KollegInnen. Während des Kochens sitzt er bei einem unterfahrbaren Tisch, damit die einzelnen Arbeitsschritte für ihn einsehbar sind. “In jeder Kocheinheit versuche ich, alle Sinne zu aktivieren. Ich zeige Andreas die Zwiebeln, benenne sie und gebe sie ihm in die Hand, damit
er sie betrachten und anfühlen kann. Wichtig ist, dass Andreas an bestimmten
Handlungen aktiv teilnimmt.”, so Eva Gruber.

Geht nicht? Gibt’s nicht!

Besondere Freude bereitet Andreas das Einschalten von Küchengeräten mithilfe eines großen grünen Knopfs. Dieser ermöglicht es auch Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen, ein Elektrogerät zu bedienen. “Andreas sieht, dass durch sein Drücken etwas bewirkt wird z.B. dass dadurch Zwiebeln zerkleinert werden.”, erklärt seine Bezugsbetreuerin.
Das grundlegende Ziel der Arbeit in der Tagestätte Körösi ist, dass sich Menschen mit schweren Beeinträchtigungen aktiv an regelmäßig wiederkehrenden Alltagsaktivitäten beteiligen können. Wesentlich ist dabei, diese Arbeiten wertzuschätzen und ihre Wichtigkeit zu verdeutlichen. Dadurch werden Menschen mit Behinderung ihrem Handeln sicherer.
“Alltagshandlungen geben jenes Zugehörigkeitsgefühl, durch das auch schwer behinderte Menschen mit der Gesellschaft und der Kultur verbunden sind”, so Tagesstättenleiterin Karin Skarget.

"Jede Arbeit ist wertvoll!"

“Der Arbeitsplatz ist für Menschen mit schweren Behinderungen genauso wichtig wie für alle anderen arbeitenden Menschen. Jede Person und jeder Teil ihrer Arbeit – und sei er noch so `gering` – wird bei uns wertgeschätzt. Es sind oft kleine Schritte die zum Ziel führen, aber es gibt immer Möglichkeiten, beeinträchtigte Menschen im Alltag aktiv zu beteiligen”, resümiert Eva Gruber. Diese Stärkenorientierte Grundhaltung macht es Andreas Ettrich möglich, sein Leben aktiv und selbstbestimmt zu gestalten. Andreas` Spielzeugauto ist derzeit gerade gestellt – er fühlt sich also sichtlich wohl in der
Tagesstätte Körösi.

(Text und Fotos ©: Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.mosaik-gmbh.org)