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Nationalrat beschließt Änderung einstimmig

Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Menschen mit Behinderung darf künftig erst im Alter von 25 Jahren erfolgen. Das hat der Nationalrat heute einstimmig beschlossen. Junge Menschen mit Behinderung haben damit länger Anspruch auf die Services des AMS, wie Vermittlungs- und Schulungsangebote.

Ebenfalls beschlossen haben die Abgeordneten Erleichterungen bei der Beschäftigungsbewilligung für Buslenker:innen aus dem Ausland. Auch der Aufenthalt für Schüler:innen aus dem Ausland, die Fachschulen für Sozialberufe und ähnliche Ausbildungen besuchen, wird erleichtert.

Keine Mehrheit konnten die NEOS für einen im Zuge der Debatte eingebrachten Entschließungsantrag finden, mit dem sie Änderungen bei der Stichtagsregelung zur neu geregelten Arbeitsunfähigkeitsfeststellung forderten. Auch die SPÖ blieb mit ihrer Forderung nach mehr Personal für AMS und Arbeitsinspektion in der Minderheit.

Feststellung der Arbeitsunfähigkeit künftig erst mit 25 Jahren

Derzeit wird die Arbeitsunfähigkeit bei Menschen mit Behinderung bereits im Jugendalter festgestellt, was dazu führt, dass die Betroffenen keinen Zugang zu Leistungen des AMS haben. Die Regierung hat daher eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vorgeschlagen, die einstimmig beschlossen wurde. Betroffene dürfen damit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nicht verpflichtet werden, an einer Untersuchung der Arbeitsfähigkeit teilzunehmen. Sie werden bis zum Alter von 25 Jahren vom AMS betreut und vorgemerkt und können Schulungen in Anspruch nehmen. Auch eine Unterstützung des Sozialministeriumservice (SMS) und der Länder bei der Suche nach offenen Stellen und der Abklärung besonderer Bedarfslagen ist vorgesehen. Sofern sie ihre Anwartschaft aufgrund einer Beschäftigung nachweisen können, werden Betroffene auch Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Die Regelung tritt mit 1. Jänner 2024 in Kraft. Um Härtefälle zu vermeiden, kommen Gutachten, die im Jahr 2023 angeordnet wurden, ebenfalls bis zum 25. Lebensjahr nicht zur Anwendung.

Arbeitsminister Martin Kocher sprach von einem “Herzensanliegen”. Bisher sei in den allermeisten Fällen bei jungen Menschen mit Behinderung die Arbeitsunfähigkeit mit 15 Jahren festgestellt worden, was sie von den Angeboten des AMS ausgeschlossen habe. Mit der Änderung schaffe man nun eine Chance auf Inklusion und einen Paradigmenwechsel. Kocher betonte, dass dies nicht der letzte Schritt sei, der in Sachen Integration von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt notwendig sei.

Auch Markus Koza (Grüne) sprach von einem wichtigen Tag für Menschen mit Behinderung. Man mache den Weg für die Inklusion der Betroffenen am Arbeitsmarkt frei und durchbreche den “Automatismus Sonderschule, Werkstatt, Sozialhilfe”. Ab 1. Jänner 2024 werde die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für Unter-25-Jährige abgeschafft. AMS und SMS sollen künftig gemeinsam mit den Betroffenen einen Perspektivenplan erstellen. Bei der Überprüfung selbst werde künftig auf die Fähigkeiten und Potenziale der jungen Menschen geachtet.

Kira Grünberg (ÖVP) betonte, dass das Recht auf Arbeit ein Menschenrecht sei, für das junge Menschen mit Behinderung lange kämpfen mussten. Durch die Einstufung als arbeitsunfähig seien ihnen berufliche Chancen verbaut worden. Mit der Novellierung komme es zu einer Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung. Grünberg zeigte sich überzeugt, dass die Arbeitswelt davon profitieren werde, wenn Menschen mit Behinderung eine Chance bekommen.

Auch vonseiten der Opposition kam Zustimmung zur Gesetzesänderung. Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm (beide FPÖ) fanden die Verbesserungen für Menschen mit Behinderung begrüßenswert. Michael Seemayer (SPÖ) sprach von einer sinnvollen Maßnahme, die die finanzielle Situation und die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung beim Zugang zum Arbeitsmarkt verbessere. Die Verbesserung würde aber auch mehr Arbeit für das AMS bedeuten, so Seemayer, der daher mittels Entschließungsantrag erneut für eine Aufstockung des Personals bei AMS und Arbeitsinspektion eintrat. Der Antrag erhielt keine Zustimmung.

Fiona Fiedler (NEOS) bewertete die Novelle als “deutliche Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand”. Sie begrüße ausdrücklich, dass die Feststellung der Arbeitsfähigkeit künftig erst mit 25 Jahren erfolgen kann. Einen Paradigmenwechsel sah sie aber keinen, denn dafür bräuchte es eine komplette Abschaffung der Überprüfung. Kritik übte Fiedler zudem an der Stichtagsregelung. Sie ortete eine Diskriminierung all jener Personen unter 25, die vor dem Stichtag am 1. Jänner 2023 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten haben. Die Abgeordnete brachte daher einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie ein Konzept forderte, das auch diese Personen von der Novellierung profitieren lässt. Der Antrag blieb in der Minderheit.

Änderungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes

Angesichts des Mangels an heimischen Buslenker:innen und Straßenbahnfahrer:innen wird die Anwerbung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten erleichtert. Die von ÖVP und Grünen vorgeschlagene Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sowie des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes wurde vom Nationalrat mehrheitlich beschlossen. Demnach wird künftig eine Berufsberechtigung dem Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung bzw. einem Lehrabschluss gleichgestellt. Schließlich sei der fortschreitende Ausbau des öffentlichen Verkehrs entscheidend für die Mobilitätswende und die Erreichung der Klimaziele, wird die Initiative begründet. Auch im Bereich der Sozialberufe wird es Erleichterungen geben. So wird es künftig möglich sein, für den Besuch von Fachschulen für Sozialberufe und ähnliche Ausbildungen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

Heftige Kritik an der Regelung kam von Peter Wurm (FPÖ). Das Land sei “am Ende”. Die Vorlage zeige, dass die Regierung am Arbeitsmarkt “komplett versagt” habe. Angesichts der zuletzt gestiegenen Arbeitslosigkeit seien die Aussichten sehr schlecht. Wurm kritisierte, dass die Mangelberufsliste mittlerweile 120 Berufe bundesweit und weitere 80 in den Bundesländern umfasse. Die EU habe die Probleme am heimischen Arbeitsmarkt nicht gelöst. Zudem belaste die “unqualifizierte Zuwanderung” das System, so Wurm. Auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ) lehnte ein Öffnen des österreichischen Arbeitsmarkts “für die ganze Welt” ab. Die Gesetzesänderung bedeute ein “Hereinlassen von Menschen aus aller Herren Länder ohne Qualifikationen”. Kritisch äußerte sie sich auch zum Umgang der Regierung mit Scheinfirmen und zu Unternehmen, die Kurzarbeitsbeihilfe bezogen und dennoch Mitarbeiter:innen gekündigt hätten.

Alois Stöger (SPÖ) nahm insbesondere Bezug auf die Schüler:innen von Schulen für Sozialberufe, für deren Aufenthalt es Erleichterungen geben soll. Wenn man diese Personen aus Drittstaaten anwerbe, müsse man auch regeln, wovon sie in Österreich leben sollen. Auch einem “Öffi-Ausbau mit Lohn- und Sozialdumping” werde seine Fraktion nicht zustimmen, so Stöger. Er befürchtete, dass die Öffnung die Menschen unter Druck bringen werde. Ändern müsse man vielmehr die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Verkehr.

Gerald Loacker (NEOS) hingegen unterstützte die Regelung. Es gebe schlicht und einfach keine österreichischen Busfahrer:innen am Arbeitsmarkt. Denn wenn dem so wäre, würden die Unternehmen diese sofort anstellen. Loacker übte dennoch Kritik am System. Dass man die Ausnahme für diese Berufsgruppe “in ein Gesetz zimmern muss”, zeige, dass das Verfahren für die Rot-Weiß-Rot-Karte zu kompliziert und restriktiv sei. “Uns fehlen die Leute überall”, führte er den Fachkräftemangel ins Treffen.