Für Menschen mit kommunikativen Einschränkungen sind es oft lange und teure Wege, die sie zu jenen Tools führen, die ihnen den Alltag, die Arbeit und die Freizeit erleichtern.
Entwicklungen im Bereich der Assistierenden Technologien
Im folgenden Beitrag berichten Franz Pühretmair, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des “Kompetenznetzwerks Informationstechnologie zur Förderung der Integration von Menschen mit Behinderung (KI-I)” und die LIFEtool-Mitarbeiter:innen Romana Malzer und Florian Strauss über die Erfolge und Hürden im Bereich Unterstützter Kommunikation (UK) und Assistierender Technologien.
Wir blicken ungefähr 25 Jahre zurück: ein Klient, der nach einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt ist, kommt zu LIFEtool. Er kann seinen Kopf bewegen, auch ganz normal sprechen. Der Wunsch ist groß, am Computer arbeiten oder surfen zu können, um etwas mehr Selbstständigkeit zu erlangen. Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht viel, mit dem LIFEtool unterstützen konnte – das war der Startschuss für die Entwicklung der ersten Integra Mouse.
“Die Integra Mouse ist eine Mundmaus, bei der das Mundstück mit den Lippen bewegt wird. Sie besitzt eine Membran, die durch Ansaugen und Blasen gewölbt wird. Diese Wölbung wird von einem optischen Sensor erkannt und in Klicks übersetzt. Es ist quasi eine Computermaus, die mit dem Mund bewegt wird: Statt mit dem Finger wird ein Rechts- oder Linksklick durch das Ansaugen oder Blasen ausgelöst. In der neuesten Version der Integra Mouse, welche sich gerade noch in Entwicklung befindet, ist ein Atemtraining integriert, das Lungenproblemen vorbeugt. All diese Dinge sind durch Wünsche unserer Klient:innen weiterentwickelt worden. Wie bei vielen anderen Projekten in diesem Bereich sind es echte Lebensgeschichten, die zur Umsetzung führten.”
Romana Malzer und Florian Strauss, Mitarbeitende bei LIFEtool
Partizipation am Entwicklungsprozess
Überall, wo für Menschen geforscht wird, aber vor allem wenn für Menschen mit Behinderung und für Menschen mit kommunikativen Einschränkungen geforscht wird, ist es wesentlich, dass diese auch in die Projekte miteinbezogen werden. Das unterstreicht auch Franz Pühretmair vom KI-I. Das KI-I ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung – ihr Arbeitsfeld reicht von der Forschung zu Assistierenden Technologien über Barrierefreiheit bis hin zu Fort- und Ausbildungen. Das KI-I ist Kooperationspartner von LIFEtool und LIFEtool wiederum ist im Vorstand vom KI-I tätig. „So hat sich eine sehr enge und gute Zusammenarbeit entwickelt. LIFEtool ist für uns absoluter Experte im Bereich UK.
“Es ist leider noch keine Selbstverständlichkeit, aber für uns am KI-I unerlässlich: Wenn ich etwas erforsche, das die Lebensqualität und Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderungen fördern soll, dann müssen diese in alle Phasen eines Projektes – von der Problemdefinition bis zum Anwendungstest – miteinbezogen werden, damit die Lösung nicht an der Zielgruppe vorbeigeht.”
Franz Püretmair, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des KI-I
(K)ein Recht auf Kommunikation
Unabhängig davon, ob es um Forschungsprojekte oder das Anschaffen von Assistierenden Technologien geht, betonen Romana Malzer und Florian Strauss: “Ohne Finanzierung geht es natürlich nicht. Bin ich querschnittsgelähmt, ist es selbstverständlich, dass ich einen Rollstuhl bekomme. Ich weiß, wo ich mich hinwenden muss, um diese Unterstützung zu bekommen, und sie wird mir in den meisten Fällen auch bezahlt. Habe ich aber beispielsweise ALS, eine Krankheit, die die Muskulatur beeinflusst, wodurch es sein kann, dass ich die Möglichkeit verliere, mit Lautsprache zu sprechen, ist es plötzlich nicht mehr selbstverständlich, dass ich einen sprechenden Taster, ein Sprachausgabegerät oder eine Augensteuerung bezahlt bekomme. Zusätzlich fehlt an so vielen Stellen noch die Information und die Leute wissen nicht, wo sie sich hinwenden sollen.“
Es ist die Umsetzung des Rechts auf Kommunikation, das in Österreich noch fehlt. Sprechen wir von Kommunikation, geht es meistens um die aktive Lautsprache. Kommunikation umfasst aber auch die Mimik und Gestik, Kommunikation sind Gebärden, Schriftzeichen oder Symbole –die aktive Lautsprache ist dabei nur ein Teil davon. Damit auch andere Arten der Kommunikation selbstverständlich und somit auch (finanzielle) Unterstützung finden, braucht es eine stärkere Sensibilisierung in der Gesellschaft und Politik: „Es ist in den letzten Jahren schon viel in diesem Bereich passiert. Die beste Sichtbarmachung passiert über die Menschen selbst, indem sie durch ihre Art und Weise der Kommunikation mit anderen ins Gespräch kommen. Zusätzlich ist es wichtig, Informationen zu UK, zu Assistierenden Technologien oder Barrierefreiheit bei Tagungen sichtbar zu machen, es muss in Ausbildungen von Therapeut:innen oder Pädagog:innen enthalten sein, Multiplikator:innen sollten Bescheid wissen. Nur so ist gewährleistet, dass diese Art der Unterstützung auch bei jenen Menschen ankommt, die sie benötigen“, erklärt Franz Pühretmair.
Unterstützte Kommunikation ermöglicht Teilhabe
Unterstützte Kommunikation bringt nicht nur Erleichterung in den Alltag, sie führt zu einer Steigerung der Lebensqualität, zum Beispiel:
- Ein DJ, der nach einem Unfall nur mehr den Kopf bewegen kann, kann mit der Integra Mouse wieder Musik auflegen.
- Ein leidenschaftlicher Modellflieger, der querschnittsgelähmt ist, kann durch einen Joystick mit dem Mund Quadrokopter und Drohnen steuern.
- Eine junge Frau mit Bewegungsstörung, die im Kommunikationsbereich tätig ist, kann sich mit einer Augensteuerung endlich wieder selbstständig ausdrücken und auch in ihrer Branche arbeiten.
Unterstützte Kommunikation und Assistierende Technologien sind nicht nur Mittel zum Zweck. Sie werden nicht nur für den Alltag oder die Arbeit eingesetzt. Menschen mit Behinderung, mit kommunikativen Einschränkungen, wollen mehr – natürlich. Dass sich die Forschung und die Möglichkeiten zu diesem Bereich hin weiterentwickeln müssen, davon ist Franz Pühretmair überzeugt: „So versuchen wir zu zeigen, dass man Grenzen überschreiten kann, um den Horizont ein Stück weiter aufzumachen.“