Mit dem Ende der Pflichtschule, endet in Österreich die Inklusion. Als Diakonie fordern wir deshalb seit Jahren den Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Politische Maßnahmen sind überfällig.
Wasser auf die Mühlen der Kritik seitens der Diakonie an völlig unzulänglicher Inklusion im Bildungsbereich ist das Prüfergebnis des UN-Fachausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Am 22. und 23. August 2023 wurde die Umsetzung in Österreich zum zweiten Mal vom UN-Fachausschuss in Genf geprüft. Österreich musste berichten, welche politischen Maßnahmen bereits ergriffen wurden, um die UN-Konvention – die seit 2008 in Kraft ist – umzusetzen.
Und prompt stellt der Fachausschuss für inklusive Bildung Österreich pünktlich zu Schulbeginn ein schlechtes Zeugnis aus: Die österreichische Praxis wird als „mangelhaft“ bewertet und stößt auf massive Kritik wegen „eklatanter Versäumnisse seitens der Politik“, so der österreichische Monitoring-Ausschuss in einer Aussendung letzte Woche.
Diese Mängel sieht die Diakonie seit langem, insbesondere auch im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention 2022-2030. „Wir haben schon vor einem Jahr kritisiert, dass das Kapitel zur Bildung mehr Rückschritte als sinnvolle Strategien für die Zukunft enthält und Kindern mit Behinderungen ihre gleichen Chancen vorenthält. Dieser Befund ist nun offiziell und umso tragischer“, so Diakonie Direktorin Maria Katharina Moser.
Fakten zum Ende der Inklusion nach der Pflichtschule
Im Schuljahr 2021/22 besuchten laut Statistik Austria 29.851 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine allgemeinbildende Pflichtschule. Rund 63% von ihnen nahmen am Unterricht im Rahmen einer Integrationsklasse teil, 36% besuchten eine Sonderschule. Danach, nämlich mit dem Ende der Pflichtschule, ist für sie die Inklusion in Österreich kaum mehr möglich.
Als Diakonie fordern wir seit Jahren den Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Maria Katharina Moser, Diakonie-Direktorin
Gesetzlich ist der Schulbesuch nach der Pflichtschule nicht vorgesehen und findet, wenn überhaupt, im Rahmen von Schulversuchen statt. Die Diakonie schafft auf diesem Weg seit über 10 Jahren in zwei Schulen die Möglichkeit eines inklusiven Oberstufen-Besuchs. Allerdings fehlt für diese Schulen weiterhin die gesetzliche Grundlage und damit die Sicherheit für die Fortführung für inklusive Bildung von Schüler:innen mit und ohne Behinderungen ab der Sekundarstufe II. „Als Diakonie fordern wir deshalb seit Jahren den Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf“, betont die Diakonie Direktorin. Nur so könne die Chancengleichheit erhöht werden, die notwendig ist, um die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten zu stärken.
Die Schulische Laufbahn bestimmt die Berufsbiografie
Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt ist ein zentrales Anliegen der Diakonie. „Bei der Integration im Erwachsenenalter anzusetzen, ist allerdings zu spät“, unterstreicht die Diakonie-Direktorin. Erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt hänge auch davon ab, wie Menschen mit Behinderung als Kinder und Jugendliche gefördert wurden – oder eben nicht.
“Deshalb ist gelingende Elementar- und Schulbildung ein Schlüssel auch zur Integration in den Arbeitsmarkt“, betont Moser. Dabei wird die Bedeutung der Elementarbildung am häufigsten übersehen: Wenn in den Lebensjahren zwischen 0 und 6 hohe Qualität in der Betreuung und Bildung geboten wird, hat diese Zeit eine ganz entscheidende, positive Auswirkung auf spätere Bildungserfolge.
„Um Inklusion von Beginn an zu ermöglichen, fordern wir ein verpflichtendes Kindergartenjahr auch für Kinder mit Behinderungen, die verbesserte inklusive Nachmittagsbetreuung sowie die Weiterführung der schulischen Karriere von Kindern mit Behinderung nach der 9. Schulstufe“, betont Maria Katharina Moser. All das könne nur möglich werden, wenn die Politik endlich den nötigen Ausbau und eine leichtere Verfügbarkeit von Assistenzkräften und Unterstützungsangeboten möglich machte.
Die Politik müsse jetzt handeln, denn es sei „höchste Zeit für inklusive Bildung auf allen Ebenen – vom Kindergarten bis zur Uni“, so die Diakonie Direktorin abschließend.