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Der Firefly Club bildet Menschen mit Behinderung zu DJs aus und vermittelt sie. Die Wiener Workshops fallen nun aber Geldnot zum Opfer.

Sebastian Gruber dreht die Regler nach oben und wippt im Takt der Musik. Deep House, mit Blick auf den Donaukanal. Während die Leute unten am Kanal auf dem Asphalt sitzen, streckt man hier oben die Zehen in den Sand. Eine junge Frau sitzt in einem der Liegestühle auf der Flex-Terrasse, in der Hand den After-Work-Spritzer. Ist auf dieser Party irgendetwas anders als sonst? „Ja! Es fühlt sich an wie Urlaub.“

Christoph Sackl schmunzelt bei solchen Antworten: „Oft bemerken die Leute gar nicht, dass bei den Events etwas anders ist. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht für uns ist“, sagt der 41-Jährige, der neben dem DJ-Pult steht. Gemeinsam mit dem 26-jährigen Gruber, alias DJ SLG, hat er den Firefly Club gegründet – eine Agentur, die Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zu DJs ausbildet und für Events an Kunden vermittelt.

Die Idee für die inklusive DJ-Agentur wurde im diversen London geboren, wo Sackl einige Jahre lebte. Er kam mit einer Mission zurück: auch hierzulande die Möglichkeit zu schaffen, Behinderung mit Musik zu verbinden. Mit Gruber, der selbst eine leichte Behinderung hat, fand er einen Gleichgesinnten. Zuerst wollten sie inklusive Partys veranstalten, doch als die Suche nach DJs mit Behinderung keinen Erfolg hatte, änderte sich der Plan: „Wir dachten: Dann müssen wir eben selbst welche ausbilden“, erzählt Sackl.

80 DJs mit Behinderung

Sieben Jahre später hat der Club um die 80 ausgebildete DJs hervorgebracht. 30 davon vermittelt der Firefly Club bis heute. „Nicht bei allen klappt es nach der Ausbildung. Das Auflegen ist mit Disziplin, Verlässlichkeit und auch Druck verbunden“, sagt Sackl. „Bei unseren DJs muss man aber keine Zwischenfälle oder Ausbrüche erwarten.“ Bis zu zwei Mal monatlich legen manche von ihnen auf – am Diversity Ball, beim Dancer Against Cancer oder auf Firmenfeiern. „Für mich sind die großen Erfolge jene, wo wir wirklich Barrieren brechen“, sagt Sackl. Etwa dann, wenn bei einem Unteroffiziersball das Salsa-Set des Firefly-Kollektivs aus Niederösterreich die strengen Mienen der Offiziere aufhellt. Oder wenn beim Pfadfinderfest spontan die Zeltwände abgebaut werden, weil die tanzenden Leute auch noch die Wiese vor dem Zelt füllen.

Praterdome, die Schweiz und Deutschland – auch DJ SLG kommt viel herum. Am Arm trägt Gruber noch das Festivalband vom Gig der letzten Woche. „Bella Ciao“ dröhnt aus seinen Boxen – ein Remix des DJs Hugel. „Ein großes Vorbild“, sagt Gruber. Wenn jemand wie Hugel auflegt, ist Gruber selbst gern im Wiener Nachtleben unterwegs. „Einmal hat mich ein Türsteher gefragt, ob ich betrunken sei, und wollte mich wegen meiner Hose nicht reinlassen“, erzählt er. Mit einem lässigen „Nein, ich bin behindert, und das ist eine Armani-Hose“ sei das Problem aber schnell gelöst gewesen. Größere Hindernisse beim Fortgehen hätten hingegen Rollstuhlfahrer. Sackl bestätigt: „Meist sind nur große Clubs barrierefrei, und für inklusive Partys ist es zu teuer.“

Der gemeinnützige Verein Firefly Club finanziert sich aus Spenden, Förderungen und den Gagen. Die DJs bekommen für die Gigs eine kleine Bezahlung. Sackl erklärt: „Wir können als Verein meistens nur Aufwandspauschalen auszahlen. Und die DJs würden bei zu hoher Bezahlung ihre Förderungen, die sie wegen ihrer Behinderung bekommen, verlieren.“ Nicht um Erwerbstätigkeit, sondern um Beschäftigung gehe es beim Projekt. Das restliche Geld fließe etwa in die Assistenz, die die DJs bei Auftritten begleitet, und das Equipment.

Keine Workshops mehr in Wien

Die Ausbildung ist für die Teilnehmer kostenlos. In Niederösterreich deckt eine Förderung die Kosten, in Wien wird es nun in nächster Zeit keine DJ-Ausbildung mehr geben. „Wir haben so viele neue Projekte, dass wir das ohne eine weitere Förderung nicht mehr stemmen können.“ Der Club will sich deshalb vermehrt auf die Vermittlung der DJs konzentrieren und mit einem neuen Konzept bekannter werden: „Wir bieten neuerdings DJ-Workshops für Firmen als Teambuilding-Maßnahme an. Am Schluss gibt es dann die Option für eine Party, bei der die Mitarbeiter selbst auflegen.“ Am 10. Juli wird der Club  die Neuausrichtung bei einer DJ-Battle im f6 feiern. Auch Gruber wird als DJ SLG vor der Jury auflegen. Nervös? „Nein, das ist für mich schon Routine“, sagt Gruber.

Quelle: diepresse.com