Deutschland: Für die Lebenshilfe im Magdeburg bedeuteten die strengen Corona-Regeln im Frühjahr eine schwere Zeit, außerdem Ängste und Sorgen wegen des Virus und um Finanzen. Deshalb sind die Beteiligten erleichtert, ab kommendem Montag nicht schließen zu müssen. Trotzdem: Leicht ist die Situation für alle Beteiligten nicht.
“Wir sind froh, wenn wir die Normalität aufrecht erhalten können”, sagt Heike Woost, die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Magdeburg. Mit der neuen Corona-Verordnung, die am Montag in Kraft tritt, sind keine Schließungen von Einrichtungen für behinderte Menschen, etwa Werkstätten und Förderschulen, geplant. Das bestätigte das Sozialministerium MDR SACHSEN-ANHALT.
Herausforderungen in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung
Als im März zum ersten Mal umfassende und einschränkende Corona-Maßnahmen ergriffen wurden, sei das in der Lebenshilfe Magdeburg eine schwere Zeit und für Menschen mit Behinderungen eine Zumutung gewesen, sagt Woost. Dort leben und arbeiten vor allem Menschen mit geistiger und geistig-körperlicher Behinderung, aber auch sinnesbehinderte Menschen wie Blinde und Gehörlose.
Für viele von ihnen sei es eine Herausforderung, die vielfachen Infos rund um das Coronavirus und die Regeln zu filtern. Die Folge: Unruhe, Ängste und Sorgen. Deshalb müssten die Betreuerinnen und Betreuer immer wieder in leichter Sprache mit den Menschen darüber sprechen. Die AHAL-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, Lüften) “halten sie dann vorbildlich ein”, erzählt die Geschäftsführerin. Aber die zusätzlichen Aufgaben seien auch eine Herausforderung für die Betreuerinnen und Betreuer.
Lebenshilfe Sachsen-Anhalt
Die Lebenshilfe ist ein Verein und betreibt nach eigenen Angaben 15 Werkstätten in Sachsen-Anhalt, in denen 5.450 Menschen arbeiten. Etwa 400 Personen davon befinden sich in beruflicher Aus- und Weiterbildung. Mehr als 200 Menschen werden auf eine Tätigkeit auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt vorbereitet. Die Lebenshilfe betreibt zudem unterschiedliche Wohnangebote sowie Beratungs- und Betreuungsstellen, etwa für Kinder.
Quelle: Website der Lebenshilfe Sachsen-Anhalt
Zusätzliche Kosten sind ein Problem
Diese Belastung hat Heike Woost in der vergangenen Woche im Landtag im Rahmen der Enquête-Kommission zur Absicherung der Gesundheitsversorgung und Pflege in Sachsen-Anhalt angesprochen. Bei der öffentlichen Anhörung am Mittwoch forderte sie unter anderem eine Corona-Prämie für Mitarbeitende in der Behindertenhilfe, wie sie Pflegekräfte im Sommer erhalten hatten. “Wir werden da immer so ein bisschen vergessen”, sagte Woost später MDR SACHSEN-ANHALT. Die Anforderungen seien vergleichbar und die Betreuerinnen und Betreuer fühlten sich vom Staat allein gelassen.
Geld spiele auch anderen Stellen eine Rolle: In der Lebenshilfe geht es auch um wirtschaftliche Fragen. Die Arbeitnehmer produzieren für Unternehmen, an die sie vertraglich gebunden sind, erklärt Heike Woost. Auch die Abstimmungen mit dem Land über die Finanzierung von Schutzausrüstung seien schwierig gewesen. Mittlerweile laufe das gut, wenn es um Schutzkleidung und Händedesinfektionsmittel gehe. Derzeit stünden zusätzliche Trennwände auf der Liste.
Aber auch für Einzelpersonen mit Behinderung bringt die Pandemie finanzielle Hürden. Jürgen Hildebrand, der Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbandes in Sachsen-Anhalt, und seine Frau Jutta Hildebrand hatten für ihre Tochter selbst eine Betreuung organisieren müssen, als deren Fördergruppe wegen Corona geschlossen wurde. Aber eine Betreuung kostet Geld.
Was Menschen mit Behinderung jetzt brauchen
Jürgen Hildebrand sagt: “Für Menschen mit Behinderung sind bestimmte Rituale und bestimmte Lebens- und Arbeitsrhythmen eine wichtige Basis für ihre seelische Gesundheit.” Die müssten soweit wie möglich gewährleistet werden. Eine große Herausforderung sei im Frühjahr gewesen, dass Ämter nicht besetzt waren, erklärt Jutta Hildebrand. Digitale oder telefonische Kommunikation sei für Behinderte oft schwierig, auch weil in Wohnheimen nicht jeder einen eigenen Computer besitzt. Es dürfe nicht passieren, dass Ämter nicht vor Ort besetzt sind.
Heike Woost von der Lebenshilfe ergänzt, dass Informationen in Leichter Sprache herausgegeben werden müssen. Feste Bezugspersonen seien außerdem wichtig: “Wir wünschen uns konkrete Ansprechpartner in den Gesundheitsämtern für Menschen mit Behinderungen.” Es sei wichtig, dass eine konkrete Person zuständig sei. Das sei nicht immer gewährleistet, obwohl die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern sehr gut sei.
Dass Einrichtungen wie Tierparks, Zoos, Botanische Gärten und Rehasport offen bleiben dürfen, ist laut Jürgen Hildebrand wichtig. Es sei bisher schwierig für viele Menschen mit Behinderung, dass gemeinsame Unternehmungen, etwa Theaterbusche wegfallen.
Quelle: mdr.de/sachsen-anhalt