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Ausziehen, flügge werden, abnabeln vom Elternhaus: Jeder kennt das. Auch Roland Pischorn wagt nun den Sprung ins kalte Wasser und zieht aus. Wer hinter dem 40-jährigen einen „Nesthocker“ vermutet tut ihm unrecht: Der gebürtige Steirer hat seit seiner Geburt Cerebralparese, wodurch er stark körperlich und sprachlich beeinträchtigt ist. Der Auszug in seine eigenen vier Wände ist Selbstbestimmung pur: Eine beeindruckende Geschichte zum europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigung am 5 Mai.

Seit Anfang 2012 begleitet Jutta Mikl, Mitarbeiterin der Mosaik GmbH, gemeinsam mit ihrem Mann Josef, der selber Rollstuhlfahrer mit hohem Betreuungsbedarf ist, den Prozess rund um Rolands Auszug.

Persönliches Budget

Bei mehrfachen Vernetzungstreffen mit Roland, seinen Eltern und diversen Fachleuten wurden Pro und Contra abgewogen. Rolands Wunsch nach Selbständigkeit sollte durch das persönliche Budget der Steiermärkischen Behindertenhilfe möglich gemacht werden. Diese Leistung wird direkt an voll geschäftsfähige, erwachsene Menschen mit erheblichen Bewegungsbeeinträchtigungen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen ausgezahlt, damit diese persönliche Assistenz in Anspruch nehmen können.
Besonders Rolands Vater war zu Beginn sehr skeptisch und hat ihm eigenständiges Wohnen nicht zugetraut. Mein Mann Josef hat durch seine eigene Betroffenheit die Eltern positiv bestärkt, weshalb sie schließlich zugestimmt haben“, erzählt Jutta Mikl.

Plötzlicher Tod des Vaters

Im April 2012 verstarb völlig überraschend Rolands Vater – und damit seine Hauptbetreuungsperson. Da seine Pflege nicht durch die Mutter übernommen werden konnte, wurde Roland für drei Monate auf einem Kurzzeitwohnplatz im „Betreuten Wohnen im Park“ der Mosaik GmbH betreut. Ab Juli 2012 wurde Rolands Pflege in seinem Elternhaus von zwei externen Betreuungspersonen übernommen, die sich 14-tägig in ihrer Arbeit abwechseln.

Diese Situation war auf Dauer für alle Beteiligten schwierig. Daher wurde Schritt für Schritt Rolands Auszug in die Wege geleitet. „Josef hat mit mir den Antrag auf persönliches Budget gestellt. Der wurde zuerst abgelehnt, deshalb war ich sehr enttäuscht. Aber Josef und Jutta haben mich und meine Mutter ermutigt nicht gleich aufzugeben. Darum haben wir berufen. Wir waren bei einer sehr netten Psychologin die mir eine Chance geben wollte“, freut sich Roland Pischorn. Jutta Mikl ergänzt: „Die Behörden waren wirklich sehr kooperativ und haben ihm die Türen für ein selbst- bestimmtes Leben geöffnet.“

Roland wird flügge

Seit Anfang 2013 bekommt der Rollstuhlfahrer persönliches Budget und kann damit seine Tages- und Nachtbetreuung sowie die Assistenz für Freizeitaktivitäten organisieren. Im Mai bezieht er nun eine barrierefreie Gemeindewohnung in Graz. „Meine PflegerInnen Marco und Maria übernehmen ab dann die Tages- und Nachtbetreuung in meinen eigenen vier Wänden“, erklärt der 40-jährige nicht ohne Stolz. Roland muss seine Dienstleistungen selber koordinieren und mit den Behörden abrechnen. „Ich muss noch viel bei der Planung und Organisation lernen aber dank der Unterstützung von Jutta und Josef wird das schon klappen,“ meint Roland Pischorn zuversichtlich.
Roland und ich kennen uns seit etwa 20 Jahren und es freut mich wirklich sehr, dass es geklappt hat. Seine Geschichte zeigt, dass es auch für Menschen mit hohem Hilfebedarf möglich ist, selbständig zu wohnen. Wesentlich ist, dass er oder sie das selber wirklich will und die nötige Unterstützung bei den Behördenwegen hat – dann ist vieles möglich,“ so Jutta Mikl abschließend.

(von MOSAIK GmbH)