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Kennen Sie das alte Kinderspiel, bei der man der Liebe wegen Blütenblätter abzupft? Heute berichten wir aber nicht über die Liebe sondern über die Frage, finde ich zahnärztliche Behandlung oder nicht. Aktuell ein heißes Thema. (Wieder) losgetreten von der Zeitung „Der Standard“, die das unzureichende Angebot zahnmedizinischer Behandlungen für Menschen mit Behinderungen thematisiert und, dass manche PatientInnen Behandlungen unter Vollnarkose benötigen, die aber finanziell nicht ersetzt wird.
Angehörige und ÄrztInnen bestätigten, dass es für PatientInnen mit Behinderungen kaum Behandlungsmöglichkeiten unter Vollnarkose gibt. Betroffen sind beispielsweise SpastikerInnen, häufig auch Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Kinder, deren Gebisse so kaputt sind, dass man ihnen eine Behandlung bei Bewusstsein nicht mehr zumuten kann. In Wien ist derzeit das Klinikum in Hietzing die einzige Anlaufstelle, doch mit entsprechend langen Wartezeiten. In der Jugendzahnklinik in Wien werden nur Sedierungen vorgenommen.
Wenige niedergelassene ZahnärztInnen verfügen über barrierefreie Praxen oder erklären sich zu Zahnbehandlungen bei Menschen mit Behinderungen bereit. Für die wenigen aber, die sich zu Behandlungen bereiterklären, bedeutet das finanzielle Einbußen. Laut ÖVP-Abgeordneten Huainigg brauchen Menschen mit Down Syndrom durch die ausführlicheren, vertrauensbildenden Vorgespräche oft eine längere Behandlungszeit. (OTS1)
„Der Standard“ berichtet über eine engagierte Wiener Zahnärztin, die zum Teil einen ganzen Tag damit verbringt ein Krankenhaus zu finden, wo sie PatientInnen unter Narkose behandeln kann, die ohne Vollnarkose zahnärztlich nicht behandelbar seien. Viele kommen bereits mit großen Schmerzen zu ihr, weil sie anderswo abgelehnt wurden.
„Weil sie sich schon einmal öffentlich über die bestehenden Einschränkungen beschwert und dafür Ärger von Behörden erlebt hat, möchte sie anonym bleiben. ‚Mein Engagement steht über meinen finanziellen und rechtlichen Ängsten‘, stellt sie klar. ‚Aber es ist existenzbedrohend.‘ “ Für die Behandlungen werden spezielle und teure Ausstattungen benötigt (derStandard).
Die Veröffentlichung dieses Artikels hat weitreichende Reaktionen hervorgerufen. So kritisiert ÖVP-Abgeordneter Huainigg das unwürdige wochenlange Warten auf zahnärztliche Behandlungen, auch bei Schmerz-PatientInnen.
Huainigg: "Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es fast unmöglich ist, in Wien eine barrierefreie Zahnarztpraxis zu finden. Ich selbst war jahrelang bei einem Zahnarzt in Behandlung, dessen Praxis im Dachgeschoß untergebracht ist. Zwar gibt es einen Lift, aber zu diesem führen Stufen. So brauchte es stets drei Assistentinnen, die mich samt Beatmungsgerät bis zum Lift trugen. Gepresst wie Sardinen fuhren wir im Lift nach oben. Doch das war mir eine gute Zahnbehandlung wert, ich vertraute über Jahre nur ihm“. Er ergänzt: "Es braucht definitiv mehr barrierefreie Zahnarztpraxen, so wie es das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz ohnehin vorsieht. Es braucht aber vor allem auch Ärztinnen und Ärzte, die ihre Berührungsängste und Vorbehalte behinderten Menschen gegenüber ablegen und nicht jede Minute in Geld aufwiegen, sondern ihren Patienten die Zeit geben, die sie brauchen, um sich möglichst vertrauensvoll in deren Hände begeben zu können." (OTS1)
Auch Lebenshilfe-Präsident Weber berichtet, dass es für Menschen mit Down-Syndrom wenige zahnärztliche Anlaufstellen gibt. Er kritisiert, dass der im Vorfeld notwendige zeitliche Mehraufwand für vertrauensbildende Gespräche sowie Diagnosestellung nicht ersetzt wird. Ein Großteil der Zahnbehandlungen bei Menschen mit Lernschwierigkeiten könne nur unter Vollnarkose durchgeführt werden. Auch dies wird nicht ersetzt. (OTS2)
Es bleibt zu hoffen, dass der Artikel in "Der Standard" nicht nur im Kreis Betroffener Gehör findet und weitere Reaktionen auf politischer, kassenärztlicher und kassenvertraglicher Ebene auslöst.
Dann bleibt mir noch immer die Möglichkeit zu sagen: Ich gehe …, ich gehe nicht …, ich gehe doch zum Zahnarzt / zur Zahnärztin.
Quellen:derStandard.at, Zahnbehandlung für behinderte Menschen soll besser werden, 28.1.2013OTS1, Huainigg: Unwürdiges Warten auf den Zahnarzt, 29.1.2013
OTS2, Lebenshilfe fordert Verbesserung der medizinischen Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigungen, 29.1.2013
(von KI-I)