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Eine Glosse ist „eine Erklärung eines schwierigen Wortes oder einer Textstelle“ oder „ein kurzer und pointierter, oft satirischer oder polemischer, journalistischer Meinungsbeitrag in einer Zeitung oder Zeitschrift.“ (Wikipedia)
Ein solcher journalistischer Meinungsbeitrag hat in den vergangenen Tagen Aufsehen und Diskussionen verursacht, sowohl unter Betroffenen als auch in Einrichtungen, die sich für leicht verständliche Information einsetzen. Objekt der Diskussion war ein Beitrag im Printmedium „Der Standard“, die auch in der Onlineausgabe derStandard.at erschienen ist. Im Artikel „Freund in kurzen Sätzen“ erfragt bzw. hinterfragt Herr Trenkler, seines Zeichens Autor des Artikels, die Art und Weise wie die Broschüre „Wurlitzer“ gestaltet wurde.
Der Wurlitzer ist ein Projekt von Wien Kultur, in dem Wiener Kunst- und Kulturveranstaltungen leicht verständlich erklärt werden. Für den Inhalt des Wurlitzers verantwortlich ist die Werkstätte Wurlitzergasse von Jugend am Werk.
„Der Wurlitzer, wie die Broschüre heißt, enthält angeblich “Beschreibungen von Aufführungen, Konzerten und Ausstellungen” samt Infos.“ (derStandard.at) Anschließend zitiert der Autor aus der Broschüre wie leicht verständliche Sprache klingt. Herr Trenkler benennt die Zielgruppe als Menschen mit „geistiger Behinderung“. Einem Außenstehenden können Insider grundsätzlich zugestehen, dass die politisch korrekte Benennung einer Zielgruppe noch nicht durchgedrungen ist, dennoch hätte ein wenig mehr Engagement sicher gefruchtet und den Autor dazu verleitet auf die Kategorisierung „geistige Behinderung“ zu verzichten.
Die Hauptzielgruppe von leicht verständlicher Sprache nennt sich selbst „Menschen mit Lernschwierigkeiten“. Klaus Candussi schreibt dazu: „Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘ bezeichnen sich übrigens selbst längst als solche mit Lernschwierigkeiten. Wissend, besondere Hilfen beim Lernen zu benötigen. Aber im Bewusstsein, lernen zu können und lernen zu wollen.“
Sekundär werden mit leicht verständlichen Texten beispielsweise auch Menschen angesprochen, die fremdsprachig geboren sind und in Österreich leben oder urlauben. Für sie ist Leichte Sprache ein Zusatzservice, der Information leicht verfolgbar und verstehbar macht.

Was bewirkt besagte Glosse?

Emotionsreich gelesen vermittelt die Glosse „Freud in kurzen Sätzen“ den Eindruck einer Abwertung von Leichter Sprache sowie von Menschen, die einfache Sprache benötigen und an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen möchten. Sehr emotionsgeladen gelesen, könnte man sogar Diskrepanzen bezüglich der Teilnahme von Menschen mit Lernschwierigkeiten bei kulturellen Veranstaltungen herauslesen.
Das wirft die Frage allgemeiner Akzeptanz von Beeinträchtigung und Lernschwierigkeiten im Besonderen auf. Es scheint noch immer manche (viele?) zu geben, die mit Menschen mit Lernschwierigkeiten Schwierigkeiten haben und danach fragen, ob man auch ihnen Zugang zu Hochkultur (Museen, Theater, Oper,…) ermöglichen soll. Es scheint nach wie vor so zu sein – allen Bemühungen von InteressensvertreterInnen, SelbstvertreterInnen und Firmen bzw. Vereinen, die sich für leichte Sprache engagieren zum Trotz.
Möglichst emotionslos gelesen vermittelt die Glosse noch immer den Eindruck, dass der Autor wenig oder nichts von Leichter Sprache weiß und aktuell kaum oder gar nicht versteht, warum eine leicht verständliche Sprache für manche Menschen notwendig ist. Aus diesem Grund wünsche ich mir, dass zukünftige Artikel zum Thema Leichte Sprache mehr Platz für einen sensiblen Umgang mit dem Thema und Menschen gegenüber lassen, die nach wie vor gesellschaftlich an den Rand gedrängt werden.
Ganz hoffnungslos ist mein Wunsch nicht. Aus Feedbacks der LeserInnen der Glosse, aus Diskussionen mit SelbstvertreterInnen und aus Anfragen an die Einrichtungen, die sich mit Leichter Sprache beschäftigen, lese ich heraus, dass sich mehr Menschen des Themas Leichte Sprache und der Zugänglichkeit von (Hoch-)Kultur bewusst sind.
Natürlich sind Sprache und sprachlicher Ausdruck subjektiv. Jede oder jeder hat andere Ideen. Jede und jede würde anders formulieren. Dennoch erleichtert die Broschüre „Wurlitzer“ den Zugang zu gesellschaftlichen Belangen. Außerdem hat eine Kulturbroschüre in Leichter Sprache in Österreich, aber auch Deutschland noch Seltenheitswert.
Wenn Sie das nun als Aufruf oder Einladung verstehen, dann sind Sie herzlich eingeladen, sich auch um mehr leicht verständliche Information zu bemühen. Ansprechpersonen gibt es in Österreich zum Beispiel mit dem capito-Netzwerk oder WIBS inzwischen einige.

Quellen:
derStandard.at, Thomas Trenkler, Öffnet einen externen Link in einem neuen FensterFreud in kurzen Sätzen – eine sonderbare Broschüre, Artikel vom 01.März 2011 erschienen bei derStandard.at.
Klaus Candussi, Öffnet einen externen Link in einem neuen FensterBravo Thomas Trenkler!, Artikel vom 04. März 2011 erschienen bei Bizeps.
Wikipedia, Öffnet einen externen Link in einem neuen FensterGlosse, Stand: 10.März 2011.
(von Kerstin Matausch, KI-I)