Die EU Wahlen stehen wieder bevor. Vom 23.-26. Mai 2019 wird nach fünf Jahren ein neues EU-Parlament gewählt. Aber nicht von allen.
Laut einer aktuellen Studie ist die Ausübung des Wahlrechts für rund 800.000 Menschen mit Behinderung in der EU nicht möglich.
EU Wahlen haben seit Jahren mit sinkender Wahlbeteiligung zu kämpfen. Lag die Beteiligung im Jahr 1979 noch bei knapp 62% (EU 9), lag sie bei der letzten Wahl im Jahr 2014 (EU 28) nur mehr bei 42,6%.
Sieht man sich die WählerInnengruppen nach bestimmten Merkmalen genauer an, sticht eines hervor:
über 50% der Personen, die zur EU-Wahl gehen sind älter als 55 Jahre;
hingegen geht nur knapp ein Viertel der 18-24 Jährigen zur Wahl des EU-Parlaments.
Alter ist eine sehr große Kategorie, ein grober Anhaltspunkt. Eine aktuelle Studie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss des EU-Parlaments hat sich nun einem Fokus gewidmet: wie sieht es beim Thema Wählen für Menschen mit Behinderung aus?
Menschen mit Behinderung vom Wahlrecht ausgeschlossen
Ein Hauptergebnis der Studie gleich vorweg: praktisch können rund 800.000 Menschen mit Behinderungen gar nicht von ihrem Wahlrecht in der EU Gebrauch machen. In jedem Staat gibt es gewisse Barrieren. Wie weit diese reichen und worin sie bestehen, unterscheidet sich zum Teil stark.
Politische Rechte sollten laut UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) garantiert sein
In Artikel 29 der UN-BRK heißt es:
Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu genießen.
Das bedeutet, dass die Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben für alle möglich sein müsste. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass Wahlmaterialien leicht verständlich und barrierefrei zugänglich gestaltet werden müssten.
Die Realität sieht oft anders aus.
So auch die Praxis in manchen EU-Staaten, wie die Studie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zeigt.
Menschen mit Behinderung haben oft keine Wahl(-möglichkeit)
In 1/3 der EU-Staaten können Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben oder sich zum Zeitpunkt der Wahl im Krankenhaus befinden, nicht wählen
In 18 EU-Staaten können blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen nicht selbstständig wählen (keine Wahlschablonen, keine Assistenz ihrer Wahl)
In 8 EU-Staaten können Personen, die ein Wahllokal nicht selbst aufsuchen können, nicht wählen, weil es keine alternativen Wahlmöglichkeiten gibt
Außerdem ist auch das Wahlrecht von Menschen mit Behinderung sehr unterschiedlich geregelt:
In 12 EU-Staaten wird einem niemals aufgrund einer Behinderung, das Wahlrecht entzogen, z.B. in: Österreich, Finnland, Schweden oder Italien
In 9 EU-Staaten verliert man automatisch das Recht zu wählen, wenn die Geschäftsfähigkeit entzogen oder ein Sachwalter eingesetzt wurde, z.B. in: Deutschland, Estland, Luxemburg oder Rumänien
In 7 EU-Staaten wird ein Assessment durchgeführt, ob man die Fähigkeit besitzt zu wählen, z.B. in Belgien, Frankreich, Portugal oder Ungarn
Darf das so sein?
Im Grunde nein, denn alle EU Staaten und die EU selbst haben sich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Das schließt den Artikel 29 – und somit die Garantie zur Teilhabemöglichkeit am politischen und öffentlichen Leben – mit ein. Diese Garantie lässt wohl auch bei der aktuellen EU-Wahl auf sich warten.
Wie ist das in Österreich?
Zu Österreich kann gesagt werden, dass es zwar rein rechtlich keine Einschränkung für Menschen mit Behinderung gibt, sich an der EU-Wahl zu beteiligen. Allerdings sind jene Hürden, die Menschen mit Behinderung in ihrem täglichen Leben antreffen, natürlich auch hier nicht außer Kraft gesetzt. Wenn jemand, der oder die Assistenz oder persönliche Begleitung braucht, am Wahl-Wochenende keine solche hat, wird es mit dem Wählen schwierig.
Quelle: blog.diakonie.at