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Menschen mit Behinderung arbeiten in Salzburg in inklusiven Betrieben oder Werkstätten. Für ihre Arbeit bekommen sie aber keinen Lohn, sondern Taschengeld. Geht es nach Behindertenorganisationen und der Salzburger Landesregierung, sollte sich das aber schon bald ändern.

Im Café Kowalski in der Riedenburg zählt Paula Obenaus aus dem Gedächtnis auf, welche Mehlspeisen an diesem trüben Freitagnachmittag noch übrig sind: Milchrahmstrudel, Himbeertorte, Kardinalschnitte und Apfelstrudel gibt es, die Schoko-Kirsch-Torte sei schon aus. Hoch konzentriert und trotzdem mit einem Lächeln im Gesicht serviert sie wenig später die bestellte Himbeertorte. „Es ist sehr schön hier, da kann ich mit Leuten arbeiten“, sagt Obenaus. Die Arbeit im Service liebt sie.

Inklusive Arbeitsstellen im Café Kowalski

Selbstverständlich ist es nicht, dass die 29-Jährige hier Tag für Tag im Café steht, denn Paula Obenaus hat Down-Syndrom. Das Kowalski in Riedenburg ist – neben Aigen und der Panoramabar Lehen – das dritte Café des Diakoniewerks in der Stadt Salzburg. Seit etwa einem Monat ist es in Betrieb. „Die Leute kommen, der Start ist geglückt“, wagt Michael König, Geschäftsführer des Diakoniewerks, eine erste Bilanz.

918 Menschen mit Behinderung arbeiten

918 Menschen mit Behinderung arbeiten laut Zahlen des Sozialressorts derzeit in Salzburg. Arbeitsplätze bieten einerseits geschlossene Werkstätten, aber auch inklusive Betriebe. Das Diakoniewerk beschäftigt 42 Menschen mit Behinderung in den drei Kowalskis und dem Catering-Service Kulinarium. Das erste Kulinarium feierte 2018 sein zehntes Jubiläum, amDonnerstag wurdeder zweite Standort – ebenfalls in der Riedenburg – offiziell eröffnet.

60 Euro Taschengeld im Monat

Auch Paula Obenaus arbeitet zeitweise im Kulinarium, das sorgt für Abwechslung abseits des Kaffeehaus-Alltags. Für ihre Arbeit bekommt sie hier rund 60 Euro Taschengeld – im Monat. Dazu ist sie unfallversichert. Sozialversichert sind die meisten Angestellten mit Behinderung bei ihren Angehörigen. Damit haben sie auch keinen Anspruch auf Pension.
Ein Umstand, der immer wieder für Kritik seitens der Behindertenorganisationen, aber auch der Behinderten selbst sorgt. Im Mai lud die Lebenshilfe deshalb zum Inklusionsforum in Wien mit dem Motto „Lohn statt Taschengeld“. Festgehalten ist das auch in der UN-Behindertenrechtskonvention, Artikel 27: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf (…) Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen.“ In Kraft ist die Konvention in Österreich seit August 2008.

Keine gesetzliche Regelung in Österreich

Trotzdem gibt es keine gesetzliche Regelung für die Entlohnung von Menschen mit Beeinträchtigung. Das Diakoniewerk kann seinen Mitarbeitern deshalb auch kein Gehalt bezahlen, betont Michael König: „Es fehlt die rechtliche Grundlage einerseits und andererseits müssten auch die Tagsätze (bezahlt vom Land Salzburg, Anm.) höher sein, weil diese Personen dann nicht mehr die Mindestsicherung bekommen.“

Schellhorn: “Wollen Taschengeld-Beschäftigungen umwandeln”

Das bestätigt auch Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) im Gespräch mit SALZBURG24. „Wenn, dann könnte das nur realisiert werden, wenn das österreichweit mit einer gesetzlichen Grundlage im ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, Anm.) möglich gemacht wird.“ Salzburg alleine könne hier keine Lösung anbieten, auch, wenn man es gerne würde: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass diese Taschengeld-Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Verhältnisse umgewandelt werden.“ In ganz Österreich wären von einer Änderung etwa 25.000 Menschen betroffen.
„Wenn sich die Behindertenhilfe weiter in eine inklusive Richtung entwickelt, also diese Menschen in der freien Wirtschaft arbeiten, dann wird diese Diskussion nicht mehr zu stoppen sein“, ist sich König sicher.

108 Millionen Euro für Behindertenarbeit

Das Land Salzburg unterstützt zusätzlich mit Lohnkostenzuschüssen. Im Jahr 2017 war das bei 576 Menschen mit Behinderung der Fall, sechs Millionen Euro wurden dafür ausgegeben. 2019 liegt das Budget im Behindertenbereich mit 108 Millionen Euro erstmals über der 100-Millionen-Grenze.
Mehr inklusive Arbeitsplätze für behinderte Menschen hat sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag als Ziel gesetzt. Schellhorn: „Menschen mit Behinderung haben es nach wie vor schwieriger in den Arbeitsmarkt hineinzukommen, sie sind immer die letzten, die zum Zug kommen. Da braucht es auch einen Gesinnungswandel von Seiten der Unternehmen in Salzburg.“ Der Landesrat räumt aber auch ein, dass das Beratungsangebot in diesem Bereich noch ausgeweitet werden müsste.

König: “Macht etwas mit Selbstwertgefühl”

Die Arbeit in einem „normalisierten Umfeld“, wie König es nennt, verhilft den Menschen zu mehr Selbstständigkeit und Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten. Er ist zuversichtlich, dass die Entlohnung für Menschen mit Behinderung in den nächsten zehn Jahren kommt. König abschließend: „Natürlich macht das auch etwas mit dem Selbstwertgefühl wenn ich weiß, ich kann in Pension gehen, weil ich gearbeitet habe.“

Quelle: salzburg24.at / Jacqueline Winkler