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Die Radiomoderatorin Constanze Hill beschreibt in ihrem aktuellen Buch unter anderem, warum sie wieder blind zur Welt kommen möchte, wenn sie ein zweites Leben hätte. Haben es blinde Menschen schwerer im Leben als andere? Haben sie weniger Chancen, beruflich erfolgreich zu sein und eine Familie zu gründen, als Sehende?

„Sicher nicht“, sagt die Linzerin Constanze Hill mit dem Brustton der Überzeugung. Mit ihrem Leben tritt die 44-Jährige den Wahrheitsbeweis für diese Behauptung an:
Obwohl sie von Geburt an blind ist, ist Hill beruflich und privat erfolgreicher als viele Sehende. Hill ist Mutter zweier Kinder und moderiert seit 20 Jahren Radiosendungen zum Thema Liebe und Beziehungen. Außerdem ist sie ausgebildeter Coach und unterstützt ihren Vater im gemeinsamen Familienbetrieb. Privat kocht sie gerne, geht regelmäßig ins Fitnessstudio und besitzt zwei Katzen sowie einen Hund. „Und ich liebe es zu reisen“, fügt die Linzerin hinzu. Einer der Sätze, mit denen Hill ihre Umwelt immer wieder verblüfft, lautet: „Würde ich noch einmal geboren, würde ich mir wünschen, wieder blind auf die Welt zu kommen.“
Denn sie sieht in diesem scheinbaren Manko viele Vorteile, auf die sie zum einen in ihrem aktuellen Buch „Ich seh, ich seh, was du nicht siehst“, aber auch im OÖN-Interview eingeht.

OÖNachrichten: Wie kann es ein Vorteil sein, einen Sinn weniger zu haben?

Constanze Hill: Wie ich das als Coach oft erlebe, leiden Sehende an Problemen, die ich noch nie hatte. So spielt etwa das Aussehen eines Menschen für mich keine Rolle. Ich konzentriere mich vom ersten Moment einer Begegnung an auf den Menschen selbst, also auf das Wesentliche. Das betrachte ich als großes Geschenk.

Gibt es nicht trotzdem Momente, in denen Sie sich wünschen, sehen zu können?

Nein, das tu ich nicht, weil ich blind auf die Welt gekommen bin, fehlt mir dieser Sinn auch nicht. Natürlich kann ich nur für mich selbst reden, ich würde mir nie anmaßen, für andere blinde Menschen zu sprechen.

In Ihrem aktuellen Buch erklären Sie unter anderem, wie man als blinder Mensch träumt. Können Sie das kurz beschreiben?

Man träumt genauso, wie man lebt – ohne Bilder, aber mit Gerüchen und Gefühlen. Mehr dazu ist in meinem Buch nachzulesen.

Muss man konsequenter und strenger zu sich sein, um als blinder Mensch so erfolgreich wie Sie zu sein?

Ich denke, dass alle Menschen, egal ob sehend oder nicht, glücklicher und erfolgreicher sind, wenn sie konsequent handeln. Denn Disziplin ermöglicht uns, Dinge umzusetzen, die wir uns wünschen. Es hat also nichts damit zu tun, mit sich streng zu sein, sondern eher damit, lieb mit sich zu sein, weil man sich ja letztlich Gutes damit tut.

Können Sie ein Beispiel aus Ihrem Leben nennen?

Ich habe beispielsweise 25 Kg abgenommen, weil ich konsequent war. Jetzt freue ich mich darüber. Denn nur wenn ich weniger und gesund esse und wenn ich Sport betreibe, kann ich schlank bleiben. Wenn ich mich liebe, tu ich das für mich. So ist es auch im Beruf. Wenn ich erfolgreich sein will, muss ich was dafür tun. Man muss einfach wissen, was man will, und sich dann darauf fokussieren, wie man es umsetzen kann. Disziplin verhilft einem also zu Freude und Glücksgefühlen.

Welche Ziele haben Sie sich für die kommenden Jahre gesteckt?

Ich habe derzeit einen guten Lauf. Wenn alles so bleibt, wie es ist, bin ich sehr zufrieden. Solange es ein Telefon gibt, werde ich Arbeit haben und Menschen mit Problemen helfen.

Gibt es einen Rat, den Sie als blinde Frau Sehenden geben möchten?

Ja, ich rate Sehenden, gelegentlich die Augen zu schließen, still in sich hineinzuhören, um ganz ohne Ablenkung erkennen zu können, was ihnen wirklich wichtig ist. Auch mit meinem neuen Buch möchte ich erreichen, anderen zu helfen, klarer zu sehen, was ihre Lebensziele sind.

(Quelle: OÖ Nachrichten)