Monatelang muss ein Tiroler auf den elektrischen Rollstuhl warten. Und für Marco J. hat die Volksanwaltschaft erreicht, dass er zuhause rund um die Uhr betreut werden kann
Gerhard R. hat eine Krankheit, die zu fortschreitendem Muskelschwund führt. Seit Jahren kann er sich nur mit einem elektrischen Rollstuhl fortbewegen, den er mit einem Joystick steuert. Sein Rollstuhl ist mittlerweile 17 Jahre alt und kaputt, Ersatzteile gibt es nicht mehr. Da der Rollstuhl nicht mehr zu reparieren war, hat R. bei der ÖGK um die Finanzierung eines neuen Rollstuhls angesucht. Bisher ohne Erfolg.
Im Oktober 2023, also vor etwa zehn Monaten, hat er einen Kostenvoranschlag für einen neuen Rollstuhl und eine ärztliche Bestätigung bei der ÖGK-Landesstelle Tirol eingereicht. Inzwischen muss er einen Leihrollstuhl verwenden, der nicht an seinen Bedarf angepasst ist. Um ein Wundsitzen zu vermeiden, muss seine persönliche Assistenz derzeit seine Sitzposition mehrmals aktiv verändern. Mit einem elektrischen Rollstuhl, der auf seine Bedürfnisse abgestimmt wäre, könnte der 54-Jährige den Alltag eigenständiger bestreiten.
Erst, als die Volksanwaltschaft aktiv wurde und auch bereits Dreharbeiten für die ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ mit Gerhard R. liefen, lenkte die ÖGK ein und bewilligte den Rollstuhl doch. Für Volksanwalt Bernhard Achitz ist völlig unverständlich, was es da so lang zu überlegen gab: „Das Krankheitsbild von Herrn R. ist der ÖGK bekannt, er braucht schon bisher einen elektrischen Rollstuhl. In so einem Fall sollte klar sein, dass schnell und unbürokratisch ein neuer Rollstuhl bewilligt wird.“ Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe der ÖGK, und auch die UN-Behindertenrechtskonvention sieht vor, dass Menschen Zugang zu möglichst hochwertigen Mobilitätshilfen haben müssen, um ein möglichst eigenständiges Leben führen zu können.
Eine andere Tirolerin wartete ebenfalls monatelang auf die Finanzierungszusage für einen Rollstuhl. Christine A. hat Multiple Sklerose. Sie kann sich zuhause zwar noch zu Fuß fortbewegen, wenn sie sich an Wänden oder Möbeln abstützen kann. Um aus dem Haus zu kommen, bräuchte sie aber den Rollstuhl. Auch hier lenkte die Tiroler ÖGK-Stelle erst ein, nachdem sich die Volksanwaltschaft eingeschaltet hatte.
Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS, dem ersten österreichischen Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, und Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrates, betont, dass die Menschen, die solche Entscheidungen treffen, offenbar nicht erkennen, wie stark sie damit das Leben von Menschen beeinträchtigen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, diesen aber nicht erhalten. Er ergänzt: „Es ist schmerzhaft, in einem Hilfsmittel sitzen zu müssen, das nicht gut angepasst ist.“
Nun übernimmt die ÖGK die Finanzierung des Rollstuhls von Gerhard R., die Spezialausstattung übernimmt das Land Tirol. Solche Kostenteilungen sind an sich in Ordnung, aber die Volksanwaltschaft fordert seit langem, dass die benötigten Leistungen sofort erbracht werden; die beteiligten Stellen sollen sich danach ausmachen, wie sie sich die Kosten aufteilen. Auch Ladstätter teilt diese Ansicht: „Wenn die Stellen verhandeln wollen, können sie das gerne tun – aber bitte im Hintergrund und nicht auf dem Rücken der betroffenen Menschen.“
ÖGK bewilligt 24 Stunden medizinische Intensivpflege für Marco J.
Solche Streitigkeiten über Kostenaufteilungen zwischen verschiedenen Akteuren des Sozialstaats kritisiert die Volksanwaltschaft immer wieder. Etwa im Fall des 19-jährigen Marco J., der künstlich beatmet und über eine Sonde ernährt werden muss. Damit er nicht erstickt, muss er rund um die Uhr von diplomierten Pflegerinnen bzw. Pflegern überwacht und betreut werden. (Mehr: https://volksanwaltschaft.gv.at/artikel/oeGK-will-Kosten-fuer-Intensivkrankenpflege-fuer-Beatmungspflichtigen-trotz-OGH-Urteils-nicht-uebernehmen ) „Ein klarer Fall, dass dafür die Krankenkasse zuständig ist, dazu gibt es Höchstgerichtsurteile“, sagt Volksanwalt Achitz: „Trotzdem hat sich die ÖGK in diesem Fall monatelang herumgedrückt. Erst jetzt hat sie auf Druck der Volksanwaltschaft endlich zugesichert, die Finanzierung zu übernehmen, gemeinsam mit dem Fonds Soziales Wien (FSW).“
Die Volksanwaltschaft fordert für alle Fälle, in denen sich Krankenkassen und Länder uneinig sind, wer zuständig ist, das Prinzip „Erst zahlen, dann die Kosten aufteilen. Die betroffenen Menschen und ihre Familien sollen nicht auch noch mit endlosen Behördenwegen sekkiert werden. Kassen und Länder sollen erst einmal die Leistung zur Verfügung stellen und sich dann im Hintergrund ausmachen, wie sie die Kosten untereinander aufteilen“, so Volksanwalt Achitz.