In Salzburg wurden in fünf Jahren die Wohnplätze verdoppelt. Doch nicht alle Landeseinrichtungen entsprechen der Behindertenrechtskonvention
Andreas Holub wohnt seit zwei Jahren in seiner eigenen Wohnung im Salzburger Stadtteil Gneis. Der 20-Jährige wollte, wie viele andere junge Erwachsene, auf eigenen Beinen stehen. Für Holub ein besonderer Schritt, denn er hat eine geistige Beeinträchtigung.
“Mit geht es ziemlich gut in der Wohnung. Einmal in der Woche kommt ein Betreuer vorbei”, erzählt Andreas Holub. Die Betreuer schauen, ob alles sauber ist und geben, wenn nötig, Hilfestellung im Haushalt. Den Mietvertrag hat Holub selbst unterschrieben. 500 Euro Miete bezahlt er für die 40-Quadratmeter-Wohnung. Auch das Kochen, Einkaufen, Putzen und Waschen erledigt er selbst neben seinem Praktikum bei einem Lebensmittellogistiker. Ein Vollzeitjob aus dem künftig ein sozialversicherungspflichtiges volles Dienstverhältnis werden könnte.
Hilf mir, es selbst zu tun
“Es ist ein großer Schritt, das alles allein zu managen”, sagt Manuela Roscher, die Bereichsleiterin für Behindertenarbeit der Diakonie Salzburg, die das Projekt in Gneis betreut. In der Siedlung Freiraum Gneis gibt es zehn solcher Wohnungen mit Teilbetreuung für Menschen mit Behinderung. “Unser Konzept ist: Hilf mir, es selbst zu tun”, sagt Roscher. Wichtig sei es, den Menschen nicht zu viel abzunehmen. Eine Betreuerin ist unter der Woche von 10.00 bis 20.00 Uhr vor Ort. Es gibt gemeinsam geplante Freizeitaktivitäten, wie Kino, Bowlen, Schwimmen oder Kochen. Einmal im Monat findet ein Bewohnerparlament statt, bei dem demokratische Grundhaltungen geübt werden, wie die eigene Meinung zu formulieren.
Das Land Salzburg forciert die selbstständigen Wohnformen für Menschen mit Behinderung. “Wir haben ordentlich was weitergebracht. In den letzten fünf Jahren haben wir die Wohneinheiten verdoppelt”, sagt Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne). Von den insgesamt 1018 Wohnplätzen im Bundesland sind nunmehr 236 teilbetreute Wohneinheiten. “Menschen mit Behinderung sollen nicht mehr außerhalb auf einem Berg in einem alten Schloss leben, sondern mitten in den Wohnanlagen”, betont Schellhorn. Das selbstbestimmte Leben bedeute einen großen Sprung für die persönliche Entwicklung. Das entspricht der UN-Behindertenrechtskonvention, die Menschen mit Behinderung in Artikel 19 eine unabhängige Lebensführung zusichert. 16 neue Wohnplätze betreut von der Lebenshilfe werden am Samstag in Abtenau eröffnet. Die Wohnungen liegen mitten im Ort, wo früher das Rathaus war.
Doch nicht alle Einrichtungen des Landes entsprechen der Behindertenrechtskonvention. Volksanwaltschaft, Behindertenanwalt und Bewohnervertretung kritisieren die Neukonzeptionierung des Salzburger Heims für Schwerst- und Mehrfachbehinderte Konradinum in Eugendorf: Behindertenvertreter wurden nicht einbezogen und das veralteten Konzepts einer mittelgroßen Einrichtung angewandt.
Nächstes Ziel: Führerschein
Komplett reibungslos verläuft auch die Inklusion freilich nicht immer. Bei manchen Nachbarn überwiege die Skepsis. Einige wollten die Wohnungen der neuen Bewohner sehen, ob sie denn sauber seien, schildert Roscher. Und es gab auch Anrufe, als ein Bewohner mit Freunden eine Einweihungsparty machte, mit der Frage, ob er das denn dürfe. “Viele haben ein falsches Bild”, erklärt die Betreuerin. Die meisten Unsicherheiten könnten aber ausgeräumt werden.
Andreas Holub hat bereits sein nächstes Lebensziel im Auge. Er möchte den Führerschein machen und legt dafür jedes Monat Geld zur Seite. Und auch seine Kochfähigkeiten will er ausbauen. “Ich möchte mehr als Nudeln kochen können”, sagt der 20-Jährige.