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Die Leistungen der nichtbehinderten Schüler fallen in Integrationsklassen deutlich schlechter aus als in Regelklassen, zeigt eine neue Untersuchung.

Integrationsklassen, in denen Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden, sind in Österreich oft gleichzeitig “soziale Brennpunktklassen”. Die Leistungen der nichtbehinderten Schüler fallen dort deutlich schlechter aus als in Regelklassen ohne beeinträchtigte Schüler, zeigt eine vertiefende Analyse des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) zu den Bildungsstandardtests.

In Österreich stehen viele Schüler, Eltern und Lehrer der Inklusion von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf offen gegenüber, auch politisch wird sie mit Verweis auf die Behindertenrechtskonvention vorangetrieben. Ein Argument für Integrationsklassen ist dabei, dass diese besser die gesellschaftliche Zusammensetzung abbilden. In internationalen Studien wurde zudem gezeigt, dass Kinder mit Behinderung in Integrationsklassen im Vergleich zu Sonderschülern bessere Lernfortschritte machen, während ihre Mitschüler ähnlich gut lernen wie in Regelklassen.

Allerdings kann von einer “realitätsnahen Schülerzusammensetzung” in Österreichs Integrationsklassen nicht die Rede sein, wie Ann Cathrice George und Susanne Schwab anhand von Daten der Bildungsstandardüberprüfungen in Deutsch und Mathematik belegen. So gibt es an 14 Prozent der Integrationsklassen an Volks- und 23 Prozent der Integrationsklassen an NMS eine sehr hohe soziale Benachteiligung, etwa weil viele Kinder eine andere Muttersprache als Deutsch haben bzw. ihre Eltern höchstens die Pflichtschule abgeschlossen oder niedrigen beruflichen Status haben. In Regelschulen trifft das hingegen nur auf neun bzw. 16 Prozent zu.

Verzerrtes Bild

Diese höhere soziale Benachteiligung schlägt sich wiederum in den Leistungen der Integrationsklassen insgesamt nieder: Schon in der Volksschule weisen Schüler der Regelklassen im Vergleich in allen Bereichen außer “Sprechen” höhere Kompetenzen auf.

In der NMS beträgt der Vorsprung dann – je nach sozialer Benachteiligung der Schüler – zwischen einem halben und dreiviertel Lernjahr. Vergleicht man nur Schüler derselben sozialen Kategorie (von geringer bis sehr hoher sozialer Benachteiligung), fällt der Unterschied zumeist etwas geringer aus.

Aus Sicht der Forscherinnen führt die “überzufällige Anhäufung von Risiken” in Integrationsklassen dazu, dass es dort an Vorbildern unter den Mitschülern fehlt und Lehrkräfte an ihre Grenzen stoßen. “Die positiven Effekte schulischer Inklusion, welche sich über eine heterogene Schülerschaft entwickeln könnten, werden verhindert.”

George und Schwab vermuten, dass Schulleiter deshalb “Risikoschüler” Inklusionsklassen zuweisen, weil dort oft zwei Lehrer gemeinsam unterrichten. Andererseits verweisen die Daten laut Bifie darauf, dass es gerade in Klassen mit geringer sozialer Belastung Schwierigkeiten bei der Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gibt – vermutlich weil Lehrer mit mittel bis hoch belasteten Klassen mehr Routine im Umgang mit Heterogenität haben und über die richtigen Fähigkeiten für den Umgang mit Inklusion verfügen.

Quelle: Standard.at