Einhaltung und Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) betrifft auch ältere Menschen mit intellektuellen Behinderungen.
Anlässlich des 1. Oktobers, dem „Internationalen Tag der älteren Menschen“, macht die Lebenshilfe Österreich einmal mehr auf Herausforderungen aufmerksam, denen immer älter werdende Menschen mit intellektuellen Behinderungen gegenüberstehen. Die Lebenshilfe fordert von der Politik die Einhaltung und Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Damit Menschen mit Behinderungen auch im Alter ein gutes Leben führen können, bestmöglich finanziell abgesichert sind und die gleichen Rechte und Wahlmöglichkeit wie alle älteren Menschen haben.
Um den Lebensabend in Würde und selbstbestimmt verbringen zu können, muss auch für Menschen mit intellektuellen Behinderungen ein Anspruch auf vollständigen, sozialversicherungsrechtlichen Schutz und größtmögliche finanzielle Sicherheit bestehen. Arbeit von Menschen mit intellektuellen Behinderungen wird aber oftmals nicht als Arbeit anerkannt und entsprechend honoriert. Diese Menschen bleiben, obwohl sie den Großteil ihres Erwachsenenlebens in Werkstätten gearbeitet haben, auch im Alter finanziell abhängig. Die Lebenshilfe fordert deshalb einmal mehr von der Politik die Einhaltung der UN-BRK und die Einführung von Lohn statt Taschengeld, um die Leistungen arbeitender Menschen mit Behinderungen im Alter entsprechend zu vergüten.
„Menschen mit Behinderungen haben dieselben Rechte auf Selbstbestimmung und Inklusion wie Menschen ohne Behinderungen – dazu hat sich Österreich mit der UN-BRK verpflichtet. Menschen mit intellektuellen Behinderungen wollen – wie alle anderen – ein eigenständiges Leben im Alter führen. Um das zu ermöglichen und umzusetzen, braucht es die Einführung von Lohn statt Taschengeld. Damit auch Menschen mit Behinderungen im Alter Anspruch auf eine eigene Pension haben. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu sind eine langjährige Forderung der Lebenshilfe an die Politik.
“ bekräftigt Markus Neuherz, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich. „Ein Schritt in die richtige Richtung wurde bereits gemacht. Im Ministerrat im Juni 2023 wurde beschlossen, dass Menschen mit Behinderungen, unabhängig vom Ausmaß ihrer Arbeitsfähigkeit, bis zu ihrem 25. Lebensjahr endlich den vollen, gleichberechtigten Zugang zu den Unterstützungsleistungen des AMS und des Sozialministeriumsservice erhalten sollen. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, um Menschen mit intellektuellen Behinderungen auch im Alter die Chance auf ein selbstbestimmtes und inklusives Leben zu ermöglichen.“ so Neuherz weiter.
Studie „Inklusives Altern“: Mangel an Betreuungs- und Pflegepersonal
Eine im Jahr 2022 erschienene Studie, die gemeinsam von den Lebenshilfen Soziale Dienste (jetzt LebensGroß) und der Lebenshilfe Österreich in Auftrag gegeben wurde, gibt Einblick in die Lebenssituation sowie Unterstützung und Begleitung von älteren Menschen mit intellektuellen Behinderungen und hohem Unterstützungsbedarf. Die Studienergebnisse bringen zahlreiche Herausforderungen zu Tage, mit denen Menschen mit intellektuellen Behinderungen bereits jetzt bzw. in den nächsten Jahren konfrontiert sind. Der Mangel an Betreuungs- und Pflegepersonal für ältere Menschen mit Behinderungen bereitet ebenso Sorge, wie die fehlende Zeit für umfassende Unterstützung und Betreuung. Dazu kommt, dass sich Pfleger*innen und Betreuer*innen zu wenig auf die Bedürfnisse von älteren Menschen mit intellektuellen Behinderungen geschult fühlen sowie ein immer höher werdender Anteil an Menschen mit Demenzerkrankungen zu begleiten und zu pflegen sind.
Doppeltes Altern
Eine weitere Erkenntnis aus der Studie ist das „doppelte Altern“. Menschen mit intellektuellen Behinderungen leben oft bei ihren teils bereits hochbetagten Eltern, die mit der Pflege ihrer ebenfalls alternden Kinder überfordert sind.
„Eine große Unsicherheit von Menschen mit Behinderungen ist, wie es nach dem Ableben ihrer Eltern bzw. pflegender Angehöriger weitergeht. Wer pflegt und begleitet sie dann? Groß ist die Angst vor Einsamkeit, einem Wohnort-Wechsel, aber auch die Befürchtung, im Alter ins Pflegeheim abgeschoben zu werden, wo es zu wenig Begleitung, Unterstützung, Pflege- und Betreuungspersonal gibt.
“ fasst Hanna Kamrat, Vorsitzende des Selbstvertretungs-Beirats der Lebenshilfe Österreich, die Sorgen von älteren Menschen mit Behinderungen zusammen. „Auch die fehlende finanzielle Absicherung im Alter in Form einer Pensionsversicherung sowie mangelnder barrierefreier Zugang zum Gesundheitssystem belastet Menschen mit Behinderungen sehr.“ so Kamrat weiter.
„Derzeit haben Menschen mit intellektuellen Behinderungen de facto keine Mitsprache über den Ort ihres Zuhauses im Alter, weil es keine Wahlmöglichkeiten gibt.“ ergänzt Markus Neuherz. „Wir fordern deshalb für Menschen mit intellektuellen Behinderungen dieselben Bedingungen wie für alle älteren Menschen in Österreich auch. Sie haben ein Recht, frei wählen zu können, ob sie ihren Lebensabend zu Hause, in der eigenen Wohnung, im betreuten Wohnen in einer Wohngemeinschaft oder in einem Wohnhaus in ihrer Heimatgemeinde verbringen wollen. Um das zu ermöglichen, braucht es inklusive Dienstleistungen und mobile, ambulante und stationäre Formen der Unterstützung. Nur so erhalten ältere Menschen mit intellektuellen Behinderungen eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben auch im Alter.“ sagt Neuherz abschließend.