Lebenshilfe-Vizepräsidentin und Selbstvertreterin Hanna Kamrat fordert Gehalt statt Taschengeld für Menschen mit Behinderungen und Bildung für alle
Die Lebenshilfe betont anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz mit anderen großen Behindertenorganisationen die Notwendigkeit der bundesweiten Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems. Inklusive Bildung ist die unabdingbare Voraussetzung und Vorbereitung für eine gelungene Inklusion am Arbeitsmarkt. Der reguläre Arbeitsmarkt soll durchlässig und flexibel sein, sodass der Zugang für Menschen mit Behinderungen erleichtert und ermöglicht wird. Zusätzlich bedarf es einer gerechten Entlohnung der Arbeit in den Werkstätten und Tagesstrukturen von Menschen mit intellektuellen Behinderungen. Sie sollen einen Gehalt statt Taschengeld mit voller sozialversicherungs-rechtlicher Absicherung bekommen.
Hanna Kamrat, Selbstvertreterin und Vizepräsidentin der Lebenshilfe dazu: „Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht auf Arbeit wie alle anderen auch. Aber wir bekommen nur ein Taschengeld. Wir sind jedoch keine Kinder. Wir verlangen ein Gehalt. Wir wollen Gleichstellung.“
Gehalt statt Taschengeld
In Österreich arbeiten rund 23.500 Menschen mit Behinderungen in Werkstätten und Tagesstrukturen außerhalb des offenen Arbeitsmarktes. Diese Tätigkeiten werden nicht als Erwerbsarbeit gewertet. Für ihre Arbeit bekommen Menschen mit Behinderungen kein Gehalt, nur ein geringes Taschengeld. Sie sind damit durch ihre Arbeit nicht kranken- und pensionsversichert. Gesetzlich gleicht das dem Status eines Kindes. Das widerspricht ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.
„Wir fordern die Bezahlung von Gehältern und von individuell notwendiger Unterstützung anstelle von Transferleistungen für den täglichen Unterhalt und das Wohnen. Es ist eine Frage der Würde, ob erwachsene Menschen Gehalt bekommen oder ständig um Geld ansuchen müssen. Österreich braucht ein Modell, das Selbstbestimmung zulässt. Es braucht gemeinsame Schritte von Bund und Ländern, um die Rechtslage in Österreich zu verändern“, so Albert Brandstätter, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich.
Die Lebenshilfe fordert daher:
- einen offenen und inklusiven Arbeitsmarkt: flexible Übergänge zwischen Tagesstrukturen/Werkstätten und dem allgemeinen Arbeitsmarkt
- ein individuelles Recht auf Arbeit und damit das Fallen der 50 Prozent Arbeitsfähigkeits-Grenze
- eine arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung von Menschen in Tages- und Beschäftigungsstrukturen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
- eine Vereinheitlichung der derzeit unterschiedlichen Begutachtungsprozesse in einer ganzheitlichen, evidenzbasierten und multidisziplinären Begutachtung.
Bildung als Basis für den inklusiven Arbeitsmarkt
Für einen inklusiven Arbeitsmarkt sind der Zugang zur Bildung und die Möglichkeit lebenslangen Lernens eine erforderliche Voraussetzung. Sie ebnet den Weg für einen offenen, flexiblen, barrierefreien und inklusiven Arbeitsmarkt. Sie ist die Basis für eine gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft.
Zudem ist eine nachträgliche Qualifikation vorerst mangelhaft ausgebildeter junger Menschen teurer als das Ermöglichen einer qualifizierten Bildung aller von Beginn an.
Die Lebenshilfe Österreich fordert inklusive Bildung auf allen Ebenen konkret und zügig umzusetzen. Dieses Ziel sieht die Lebenshilfe erreicht, wenn der Bund und die Länder eine Vereinbarung abschließen und sich gegenseitig in einem Stufenplan verpflichten, inklusive Bildung von den Angeboten für Kleinkinder bis zur universitären Ausbildung bis 2024 umzusetzen.
Hanna Kamrat betont abschließend „Der neuen Regierung bieten sich Chancen, um sich für eine vielfältige Gesellschaft einzusetzen, in der jede und jeder gleiche Rechte und Chancen hat. Österreich soll sich noch stärker als bisher auf den Weg einer inklusiven Gesellschaft machen.“