Mariya Menner ist die erste gehörlose Schauspielerin in der Geschichte des österreichischen Kinos. Ihr Debüt feiert sie in der Regie der Oberösterreicherin Marie-Luise Lehner
„Wenn du Angst hast, nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst“: Unter diesem bezaubernden Titel erzählt Regisseurin Marie-Luise Lehner einen ebensolchen Spielfilm (Kinostart: 26. September) über die gehörlose Isolde, gespielt von Mariya Menner , und ihre Tochter Anna. Sie kann hören und sprechen. Mit Gebärdensprache verstehen sie sich prächtig, die Störfaktoren ihrer Kommunikation: die Pubertät und Scham. Für Menner ist der Film ihr Debüt.
OÖN: Wie lief das Casting? Wie haben Lehner und Sie gemerkt: das passt mit uns?
Menner: Ich kann mich noch gut erinnern: ich saß zuhause am Laptop und arbeitete gerade an meinem Gebärdensprachkurs, als ich die Nachricht bekam, dass eine gehörlose Schauspielerin gesucht wird. Ich dachte: Ich und Sauspielerin? Das klingt fast unmöglich. Aber ich habe mich getraut, eine Bewerbung zu schicken.
Kam nach dem Casting schnell eine Zusage?
Schon am nächsten Tag-völlig unerwartet, eine große Überraschung. Gleichzeitig war es ein Kindheitstraum von mir, einmal Schauspielerin zu sein. Dass er nun in Erfüllung ging, ist für mich etwas ganz Besonderes. Ich habe es einfach gewagt, denn mein Lebensmotto lautet: Ich kann alles außer hören. Beim Casting war auch Marie dabei. Und ich war ehrlich gesagt ein bisschen verwirrt, weil ich dachte: Dieses Mädchen sieht fast aus wie meine Tochter! Es war gleich eine Verbindung da.
Sie sind dreifache Mutter. Inwiefern waren Ihre Erfahrungen ein Reservoir, aus dem Sie für Ihre Rolle als Alleinerzieherin schöpfen konnten?
Meine Kinder sind CODA. Das bedeutet, sie sind bilingual mit Gebärdensprache und Deutsch als Lautsprache aufgewachsen. Die Erfahrungen aus der Erziehung, all die Situationen und Gefühle – Liebe, Sorge, den Druck der Verantwortung, manchmal auch Angst – konnte ich sehr gut in meine Rolle einbringen. Als Mutter weiß man, wie es ist, stark zu sein, auch wenn man sich innerlich manchmal unsicher fühlt. Dieses emotionale Reservoir war eine große Hilfe. Der Film erinnert mich an mich als Alleinerziehende. Er ist also ein Stück meiner eigenen Geschichte.

Wie war der Dreh gestaltet, um Ihnen auf Augenhöhe zu begegnen?
Ich möchte dazu gleich eines sagen: Ich liebe diese Filmcrew! Kennen sie das Gefühl, wenn man in andere Länder reist und es dort Sprachbarrieren gibt? Da baut man automatisch eine kleine Mauer um sich. Aber am Set habe ich das nie gespürt. Alle haben mich sofort auf Augenhöhe behandelt und gesehen wie eine normale, nicht „nur“ gehörlose Schauspielerin. Gebärdensprache war Standard, und die Gebärdensprachdolmetscherinnen waren immer da, sodass alles ganz selbstverständlich und reibungslos lief. Das hat die Arbeit unglaublich angenehm und frei gemacht.
Wenn Sie die heimische Filmlandschaft, ihre Strukturen und ihre Bilder, mitgestalten könnten, was würden sie im Hinblick auf Inklusion verändern?
Ich würde mir wünschen, dass Inklusion selbstverständlich wird – vor und hinter der Kamera. Dass Menschen mit Behinderung, gehörlose Schauspieler und Schauspielerinnen und Menschen mit anderen besonderen Bedürfnissen nicht nur Rollen übernehmen, die „ihre Behinderung thematisieren“, sondern genauso Vielfältige Figuren spielen können wie jeder und jede andere. Es geht darum, Vielfalt realistisch darzustellen und als selbstverständlichen Teil zu zeigen. Damit schicken wir ein realistisches Bild in die Welt, und wir müssen Strukturen so gestalten, dass alle Chancen haben.
Im Film haben sie eine Sexszene. Genau so ein Einblick macht sie zu einem Menschen „wie jeder oder jede andere“ auch. Wie sehen sie das?
Die Sexszene dient nicht zur Schaulust, sondern der Geschichte und den Figuren. Sie zeigt Nähe, Intimität und menschliche Natürlichkeit – universelle Erfahrungen, die allen zustehen. Gerade weil Menschen, die oft ausgeblendet oder marginalisiert werden, die nicht dem Normativen entsprechen, sonst selten so gezeigt werden, ist es wichtig, dass sie sichtbar sind. Diese Szene holt sie in die Mitte der Gesellschaft.
Quelle: OÖ Nachrichten