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„Sind wir denn nicht alle ein bisschen Messie?“
So begrüßte 2018 Christian Lang, Messie Experte von EXIT-sozial, die über hundert BesucherInnen des oberösterreichweit ersten Fachtages zum Messie-Syndrom im Wissensturm Linz. 

Auch heuer bietet EXIT-sozial für Personal aus dem Sozialbereich, der Wohnraumbetreuung, MitarbeiterInnen von Genossenschaften und Hausverwaltungen sowie auch für Studierende, die Möglichkeit, sich in das Thema Messie-Syndrom zu vertiefen. 

Hand aufs Herz – wer hat nicht noch alte Erinnerungstücke daheim, die längst die Funktionalität verloren haben und nur noch emotionalen Wert besitzen? 

Doch bei Messies sind diese Erinnerungstücke viele. Viel zu viele. „Dinge, sogar leere Joghurtbecher, können für von Messie-Syndrom Betroffene einen hohen emotionalen Wert entwickeln“ erklärt Kerstin Karlhuber, Messie Expertin von EXIT-sozial. Manchmal werden es sogar hunderte leere Joghurtbecher. Oder tausende. Und plötzlich ist da zu wenig Platz. Die Wohnung ist voll. Was bleibt, ist viel Schamgefühl. Und Angst.

Angst die Wohnung zu verlieren. Aber auch Angst davor gezwungen zu werden sich von den Dingen an denen man hängt zu trennen. Besonders die Entscheidung was man wegwerfen sollte, fällt laut, Dr. Martin Aigner, unserem vorjährigen Referenten, (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Leiter der Erwachsenenpsychiatrie Klinikum Tulln) Menschen mit dem Messie-Syndrom besonders schwer. Er meinte: „Wegwerfen kann emotional schwierig sein, oft werden Argumente gesucht, wieso man die Dinge doch noch brauchen kann.“ 

Eine Art Zwangsstörung

Das Messie-Symptom wird derzeit noch als keine eigene psychiatrische Erkrankung eingestuft. Meist wird es als zusätzliches Symptom einer psychischen Störung gewertet. In der momentanen psychiatrischen Einordnung zählt das Messie-Syndrom zu den Zwangsstörungen, kann Aspekte von Depression, Sucht, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und Perfektionismus zeigen. 

Sammeln und horten sind oft auch eine Kompensation von etwas, was fehlt und die Betroffenen versuchen, diese Leere auszugleichen. 

Menschen, die unter einem Messie-Symptom leiden, horten alles Mögliche: Lebensmittel, Kosmetikartikel, Zeitungen, Plastiksackerl, Bekleidung, Bücher, Flugblätter, Werkzeug, Verpackungsmaterial, …  „Um den Gegenständen genug Platz einzuräumen, verliert die Wohnung zunehmend an Funktionalität“, berichtet Christian Lang. So kann etwa die Dusche nicht mehr benutzt werden, weil dort Stöße alter Zeitungen lagern; oder die Arbeitsflächen der Küche sind so vollgeräumt, dass ein Kochen nicht mehr möglich ist. Nach der Funktionalität geht schließlich die Bewohnbarkeit an sich verloren. Das hat schlimme Folgen: Während in der einen Wohnung letzte bewohnbare Plätze noch durch ein Gangsystem verbunden bleiben, gleicht eine Andere einer einzigen Müllhalde und die Betroffenen müssen auswärts übernachten, weil das Bett nicht mehr zugänglich ist. Doch was hilft?

Es geht darum nachhaltige Hilfe zu finden!

„Schnelle Lösungen wie etwa eine gut gemeinte Räumaktion sind hier keine nachhaltige Hilfe“, weiß Kerstin Karlhuber. Daher begleitet die Psychotherapeutin, gemeinsam mit Psychologen Christian LangMenschen mit Sammel- und Unordnungssymptomen längerfristig durch den schwierigen Prozess des Loslassen Könnens.

Ein Betroffener meinte 2018 dazu: „Es macht mich panisch, wenn ich daran denke etwas wegzuwerfen. Es hat mich abgesichert so viele Dinge zu haben. Dinge sind für mich eine Art Familie. Weil die Gegenstände bleiben und einem nicht von sich aus verlassen können, wie es eben bei anderen Lebewesen sein kann. 

Leider gibt es keine allgemeingültige Antwort, wie man den Betroffenen helfen kann, sondern man muss immer individuell auf die Person eingehen. Vielen der Betroffenen ist es auch wichtig nicht überrumpelt zu werden und die Entscheidungskompetenz zu behalten.

Unsere Messie Expertin, Kerstin Karlhuber hat sich als ersten Anhaltspunkt acht Schritte zu einem wohnlicheren Zuhause überlegt. 

Humor, Respekt und Würde!

„Es muss ja nicht jede Wohnung Messiefrei sein“, lachte Dr. Aigner augenzwinkernd, auf die Bemerkung eines Angehörigen, dass sich seine Mutter einfach weigert sich helfen zu lassen. Der Facharzt für Psychiatrie zeigte damit deutlich wie wichtig auch Humor als Hilfestellung ist. Denn solange der vom Messie-Syndrom Betroffene keine Grenzen überschreitet und andere nicht mit seinem Verhalten belästigt, soll er, laut Dr. Aigner, in seinem Messietum glücklich sein – ganz nach dem Motto «Jedem das Seine».  Allerdings sollte man unbedingt bei Gefährdung der Gesundheit Professionelle Hilfe suchen!

Und bei jeder langfristig wirksamen Hilfestellung darf vor allem, und hier waren sich die Vortragenden, Fachleute und Betroffenen einig, die persönliche Würde und der Respekt gegenüber dem anderen nicht angegriffen werden. 

Messie-Fachtag 2019 

„Ich bin besonders stolz darauf, dass sich meine KollegInnen auch heuer wieder, diesem doch oft schambehafteten Thema in einer ruhigen, besonnenen und professionellen Arte und Weise, im Gegensatz zu dem medialen oft recht reißerisch dargestellten Problems, angenommen haben.“, freut Katja Sieper, fachliche Leiterin von EXIT-sozial. Denn heuer widmen sich unsere Messie-ExpertInnen dem Thema: Messies – von der Diagnose zur Intervention. 

Messie-Fachtag: „Messies – von der Diagnose zur Intervention“

Donnerstag, 21.11.2019 von 13:00 – 17:30 Uhr im Ursulinenhof, OK-Platz 1, 4020 Linz 

Anmeldung: service@exitsozial.at

Teilnahmegebühr: € 40,–

Dr.in Assim Agdari-Moghadam, Psychotherapeutin, hält einen Fachvortrag zu dem Thema: „Zum Grundverständnis des pathologischen Hortens. Entstehung und Ursachen“.

Mag.a Kerstin Karlhuber, Soziologin und Psychotherapeutin, Messie-Expertin bei EXIT-sozial spricht über „HelferInnen und ihre Interventionen“

Wolfgang Sonntag, Dipl. Behindertenpädagoge, in der Psychosozialen Beratung in der Messie-Einzelberatung und als Begleiter der Messie-Selbsthilfegruppe bei EXIT-sozial tätig, erzählt über seine Erfahrungswerte aus 2 Jahren Messie-Selbsthilfegruppe. „Learnings aus der Selbsthilfegruppe“

Nach einer anschließenden Messie-ExpertInnen-Talkrunde besteht die Möglichkeit zu Diskussion, Austausch und Ausklang beim Buffet.

Informationen zu unseren Messie-Angeboten finden Sie unter: www.exitsozial.at/messies.

Über EXIT-sozial

EXIT-sozial ist ein Verein für psychosoziale Dienste, der 1981 in Linz als „Verein für psychiatrische Nachsorgeeinrichtungen“ gegründet wurde. Aufgabe des Vereins ist, die Situation von Menschen mit psychischen und sozialen Problemen zu verbessern.

In den drei Psychosoziale Zentren (PSZ) in Linz-Urfahr, Eferding und Bad Leonfelden ist Hilfe für die Seele, die vom ersten entlastenden Beratungsgespräch über eine längere Psychotherapie bis hin zur ambulanten psychiatrischen Unterstützung durch FachärztInnen reichen kann, zu finden. Das Betreute Wohnen und die Mobile Betreuung bieten Unterstützung für das Leben im Alltag. Bei EXIT-sozial AKTIV wird die sinnvolle Teilnahme am Arbeitsalltag angeboten. Psychosozial begleitete Freizeitangebote können an unseren drei Standorten in Linz, Eferding und Bad Leonfelden genutzt werden. Unsere vier Krisenzimmer in Linz-Urfahr bieten eine betreute Zuflucht in psychischen Notsituationen. 

www.exitsozial.at