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Landau fordert Lohn statt Taschengeld und umfassende Reform der Kategorie „Arbeitsunfähigkeit“

Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung weist Caritas Präsident Michael Landau auf die herausfordernde Situation für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt hin und schließt thematisch an den im September dieses Jahres stattgefundenen Inklusionsgipfel mit Arbeitsminister Martin Kocher an: „Aktuell ist der berufliche Weg für viele Menschen mit Behinderungen in Österreich oft klar vorgezeichnet: Nach der Pflicht- bzw. Sonderschule werden sie als ‚arbeitsunfähig‘ kategorisiert und fangen an, in einer Werkstätte bzw. Beschäftigungsstruktur für ‚Taschengeld‘ zu arbeiten – sie haben nicht die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer*innen.“ Diese rechtliche Einstufung sei oft ein Stempel, der sich nicht wegwischen lasse, warnt Landau. „Für die Betroffenen ist das nicht nur beschämend, sondern führt auch häufig dazu, dass viele Menschen mit Behinderungen von Armut bedroht sind. Sehr oft bleibt ihnen der Zutritt zum regulären Arbeitsmarkt und ein gleichberechtigter Status lebenslang verwehrt.“

Arbeitsunfähigkeit ist besonders für junge Menschen eine soziale Sackgasse

So bleiben die Betroffenen meist ein Leben lang in Werkstätten – ohne Alternative, bis sie schließlich aus Alters- bzw. Gesundheitsgründen die angebotenen Tätigkeiten nicht mehr verrichten können. “Besonders problematisch ist es, wenn junge Menschen direkt am Ende ihrer Schulzeit als ‚arbeitsunfähig‘ eingestuft werden. Das entpuppt sich vielfach als soziale Sackgasse“, so Landau. Beim Inklusionsgipfel im Herbst hat sich Arbeitsminister Martin Kocher dazu bekannt, gerade die Situation von Jugendlichen differenzierter zu betrachten. „Wichtig ist, dass die Feststellung nicht vorschnell und rein nach medizinischen Kriterien ohne Beachtung möglicher Unterstützungsleistungen und Entscheidung der Betroffenen erfolgt“, so Landau. Aus Sicht der Caritas brauche es ein neues, einheitliches rechtliches Rahmenwerk, das Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung bei der beruflichen Integration – wenn möglich auch auf dem ersten Arbeitsmarkt – unterstützt, sie aber auch durch eine Grundsicherung schützt, wenn diese kein Einkommen aus Erwerbsarbeit erzielen können. Ein Erwerb von Arbeitnehmer*innenrechten muss klar an ein soziales Sicherungsnetz, ein begleitendes Umfeld beim Übertritt in den Arbeitsmarkt sowie Durchlässigkeit in beiden Richtungen zwischen Arten der Beschäftigung geknüpft sein (z.B. Möglichkeit auf Rückkehr an einen geschützten Arbeitsplatz), damit für betroffene Personen daraus keine Nachteile gegenüber der jetzigen Situation erwachsen.

Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, Kranken- und Pensionsversicherung

Ein weiteres Problem sieht Landau darin, dass in Werkstätten erstens die sozialversicherungsrechtliche Absicherung fehlt, und zweitens die angemessene Entlohnung der dort erbrachten Leistung. „Es braucht eine rechtliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten mit anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne der UN Behindertenrechtskonvention“, so Landau. Zudem weiß Landau aus der Erfahrung in den Caritas-Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, dass das sogenannte „Taschengeld“ in den meisten Fällen nicht reicht, um davon zu leben: „Die Betroffenen sind sehr häufig auf die Behinderten- und Sozialhilfe angewiesen, die von den Ländern verwaltet wird. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen des Bundes, wie etwa durch das AMS, auf eine eigene Krankenversicherung sowie Krankenstandanspruch, oder auf eine Pensionsversicherung. Das muss sich ändern.“ Für die Entlohnung in Werkstätten sieht Landau ein bundesweit einheitliches Finanzierungsmodell als Voraussetzung, um bestehende Ansprüche und Unterstützungsstrukturen nicht zu gefährden: „Ein möglicher Weg wäre der auch von der Caritas lang geforderte Inklusionsfonds, welcher von Bund und Ländern gemeinsam befüllt wird und für Inklusionsmaßnahmen – wie beispielsweise individuelle Lohnkostenzuschüsse – zur Verfügung steht.“

Abschließend weist Landau darauf hin, dass nach über 10 Jahren seit Österreichs Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention viele notwendige Maßnahmen noch immer überfällig seien: „Menschen mit Behinderung sind aktuell oft ein Leben lang von öffentlicher und familiärer Unterstützung abhängig und verharren rechtlich somit bis ins hohe Alter in der Abhängigkeit eines Kindes. Die Situation der Betroffenen muss sich faktisch verbessern, nicht nur theoretisch“, so der Caritas-Präsident abschließend.