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Sozial-Organisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkhilfe präsentieren Forderungen für die Zukunft der Pflege

„Pflege muss Wahlkampf-Thema Nummer 1 sein. Die wahlwerbenden Parteien haben erste Überlegungen präsentiert und lassen Problembewusstsein erkennen. Jetzt muss der Zug Fahrt aufnehmen. Vorschläge in Wahlprogrammen sind zu wenig, es brauch eine intensive öffentliche Diskussion. Diese muss bei den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ansetzen – erst braucht es ein tragfähiges Gesamtkonzept, dann kommt die Frage der Finanzierung“, spricht sich Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie für einen Weg aus, der uns wirklich zu guter und leistbarer Pflege führt. Zudem weist Maria Moser darauf hin, dass sich Investitionen in die Pflege lohnen. „70% der Ausgaben für Pflege fließen via Steuern und Sozialversicherung wieder an die öffentliche Hand zurück. Nicht zu vergessen die vielen krisensicheren Arbeitsplätze“.

„Etwa 1,5 Millionen Menschen sind betroffen, 130.000 Personen leben mit einer Demenz-Erkrankung – sie erwarten sich Lösungen von der Politik“, so Moser. Die Diakonie führt aktuell den Vorsitz der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt.

Ausbau von Pflege-Dienstleistungen

„Stopp-Uhr-Pflege und Massendienstleitung hilft niemandem – weder pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen noch dem hauptberuflichen Pflegepersonal“, so Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes. „Was wir brauchen, ist ein Lückenschluss im Angebot. Also neue Dienstleistungen zwischen 24-Stunden-Betreuung und kurzen Besuchen,“ plädiert Opriesnig für die Weiterentwicklung von neuen Angeboten und die Ausweitung bestehender Dienstleistungen.

Unterstützung von Angehörigen

„Wir wissen, 80 Prozent der Menschen, die in Österreich Pflege und Betreuung brauchen, wollen am liebsten zu Hause wohnen,“ führt Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas Österreich aus. „Das heißt, 950.000 Österreicherinnen und Österreicher, kümmern sich täglich um ihre pflegebedürftigen Eltern, ihren betreuungsbedürftigen Nachbarn oder ein Kind mit einer Behinderung. Sie dürfen wir nicht im Stich lassen, denn die Arbeit, die sie leisten, ist – gerade bei dementiellen Erkrankungen – sehr belastend. Mit Beratung, Unterstützung und Entlastung müssen wir pflegenden Angehörigen unter die Arme greifen. Dafür braucht es leichter zugängliche Informationen, mehr mobile Dienste und Rechtsansprüche auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit.“

Weiterentwicklung des Pflegegeldes

„Mit der vor dem Sommer im Nationalrat beschlossenen Valorisierung des Pflegegeldes wurde eine langjährige Forderung der Pflegeorganisationen im Sinne der Betroffenen und deren Angehöriger erfüllt“, stellt Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich fest. „Die Politik darf aber nun nicht dem Irrglauben anheimfallen, dass die Valorisierung eine Systemreform ersetzt, denn das Pflegegeldsystem ist in seinen Grundzügen über ein Vierteljahrhundert alt“, betont Anselm.

Die Einstufungslogik sei trotz einiger Adaptionen in den letzten Jahren durch den Fokus auf körperliche Einschränkungen charakterisiert. „Hier sind wir in Österreich – im Gegensatz zu beispielsweise Deutschland – über ein Herumdoktern nicht hinausgekommen,“ meint Anselm. In der Realität würden das Selbsthilfepotenzial und der Unterstützungsbedarf aber auch massiv von neurologischen (man denke etwa an Demenz), psychologischen und psychosozialen sowie sozialen (wie beispielsweise der Familiensituation) und lebenssituativen Faktoren (wie etwa der Wohnsituation) beeinflusst. „Ein modernes System der Bedarfsfeststellung müsste diese hoch relevanten Faktoren valide miteinbeziehen. Nur so können wir die Situation der Betroffenen und ihrer Angehörigen realistisch erfassen und wirksame Maßnahmen zur Unterstützung und Entlastung sicherstellen,“ so Anselm.

Umfassende Offensive für mehr Pflegekräfte

„Die Herausforderung ist enorm“, betont auch Erich Fenninger, Direktor Volkshilfe Österreich. Die Prognose der Statistik Austria (2018) errechnet den Anstieg der Bevölkerung 85+ in den nächsten drei Jahrzehnten um 160% (von 223.000 auf 583.000). Auch wenn wir davon ausgehen, dass Menschen in dieser Generation gesünder altern und der Pflegebedarf sich nicht linear entwickeln wird, stellt sich die Frage, wer wird diese Menschen pflegen und betreuen? Schon heute können stationäre Pflegeinrichtungen in Österreich nicht voll ausgelastet werden, weil es an ausgebildeten MitarbeiterInnen fehlt. „Der Personalmangel ist in vielen Bereichen akut spürbar und stellt eine Belastung für die bestehenden engagierten MitarbeiterInnen dar“, so Fenninger. „Es braucht daher einen starken Schwerpunkt Personaloffensive. Für junge Menschen braucht es einen besseren Zugang zu einer Pflegeausbildung; Umstiege und Ausbildungen müssen noch intensiver gefördert werden“. Eine Imagekampagne sei sicherlich förderlich, um den Beruf für NeueinsteigerInnen interessant zu machen, aber auch die Bundesländer seien gefordert, um in ihrer Verantwortung die nötigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Ganzheitliche Reform gefordert

Bei einer ganzheitlichen Reform des Pflegebereichs müssen Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte in den Blick genommen und eingebunden werden, nur dann könne das System Pflege insgesamt positiv und zukunftstauglich gestaltet werden, so die BAG-VertreterInnen unisono.