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Seit 2012 werden nicht nur 15 SozialMarie Preise vergeben, sondern auch 3 SozialMarie Publikumspreise. Diese werden an jeweils ein Projekt in den drei Länder vergeben, die ganzheitlich zum Einreichgebiet der SozialMarie gehören. Das sind Österreich, Tschechien und Ungarn. Über die Publikumspreise entscheidet ausschließlich das Publikum.
Den SozialMarie 2015 Publikumspreis in Österreich hat mit 894 Stimmen das Projekt Nicht ohne mein iPad! gewonnen.

Nicht ohne mein iPad!

Der Siegeszug von Computer und Internet in den letzten 30 Jahren ging zunächst an den Bedürfnissen vieler Menschen mit Behinderungen vorbei. Es gab beispielsweise  Tastaturen, die für Menschen ohne Fingerbeweglichkeit „nutzlos“ waren. Es gab Barrieren, die es zu überwinden galt. Noch vor zwei Jahrzehnten gab es im Bereich computerunterstützter Kommunikationshilfsmittel lediglich individuelle Bastellösungen einzelner kreativer Köpfe. Mittlerweile hat sich eine eigene Fachbranche unter den Begriffen „Assistierende Technologien“ und „Unterstützte Kommunikation“ etabliert.
Als vor wenigen Jahren die Tablet Technologie unsere Haushalte und Büros eroberte, wurde wieder für den „Massenmarkt“ entwickelt. Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen wurden wieder nicht von Vornherein bedacht. Wer seinen Finger nicht zum Wischen verwenden konnte, hatte auch nichts von seinem Tablet Computer.
Dieses Mal reagierte der Markt jedoch schneller. Mittlerweile gibt es im Bereich der Kommunikationshilfen hervorragende Apps. International hat sich hier vor allem Apple mit den iPads etabliert. Die anderen Tablet Computer bieten weder so viele spezielle Einstellungen wie beispielsweise den „geführten Zugriff“, noch sind sie mit Scanning bedienbar, was für motorisch eingeschränkte NutzerInnen wichtig ist. Bislang wurden hochwertige Apps für die Unterstützte Kommunikation außerdem fast ausschließlich für das iPad entwickelt.

Ziel: Kommunikation

Der Mensch ist ein soziales Wesen und die Kommunikation ist ein Grundbedürfnis des Menschen. LIFEtool hat sich das Ziel gesetzt, mit dem Einsatz von elektronischen, digitalen und technischen Kommunikationshilfen die Lebensqualität von Menschen mit körperlicher Behinderung und/oder Lernschwierigkeiten zu erhöhen. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung eine optimale und selbst gewählte Form der Selbständigkeit zu ermöglichen. Darunter fällt auch, die Tablet Technologie für Menschen mit Beeinträchtigungen nutzbar und zugängig zu machen und zwar so, dass sie ihren Bedürfnissen entspricht:

  • Einfache Bedienbarkeit
  • Einfache Oberfläche mit reduzierten Funktionen
  • Möglichkeit zum Einbinden eigener Materialien (eigene Fotos, Videos, Texte,…)
  • Alternative Bedienbarkeit mittels Taster und Scanning

Projektumsetzung

LIFEtool setzt sich auf mehreren Ebenen mit der Thematik auseinander und hat mittlerweile nicht nur wertvolles Know How für die konkrete Beratung aufgebaut, sondern gibt das Wissen in stets ausgebuchten Workshops weiter. Die Beraterinnen und Berater sind Teil eines internationalen Netzwerkes von Pädagoginnen und Pädagogen, Programmiererinnen und Programmierern sowie Bloggerinnen und Bloggern. Wo immer Lücken und neue Bedarfe erkannt werden, setzt LIFEtool auch selbst Entwicklungen um und erstellt Apps für die Sonderpädagogik. Sechs sind bereits entstanden und weitere folgen.
Beim Projekt Tablet Computer und Apps lag der Fokus auf der Evaluierung der Tablet Computer als Anwendung für Menschen mit Behinderung. Es wurde untersucht, welchen Mehrwert die Nutzung von Tablet Computern gegenüber herkömmlichen Computersystemen und Kommunikationshilfen für Menschen mit Behinderung in Bezug auf Bedienung, Lernerfolg und Motivation hat. In BenutzerInnentests mit Menschen mit Beeinträchtigungen wurden Möglichkeiten, Grenzen und Defizite ausgelotet. Die Ergebnisse flossen direkt in das Forschungsprojekt Assistive Technology Laboratory ein.
Assistive Technology Laboratory ist ein mittlerweile abgeschlossenes Forschungsprojekt, das LIFEtool gemeinsam mit der Fachhochschule Hagenberg und dem Institut Integriert Studieren der Johannes Kepler Universität Linz durchführte.
Das Forschungsprojekt selbst ist zwar abgeschlossen, aber die Arbeit an den Apps geht natürlich weiter und dank der Vorarbeit wurde ein spezielles Programmierumfeld geschaffen, das nun die App Erstellung für die speziellen Anforderungen für Menschen mit Beeinträchtigung wesentlich erleichtert. Den Projektprozess zeichnet aus, dass die End-NutzerInnen zu allen wichtigen Meilensteinen eingebunden waren und nun Apps erstellt werden können, die optimal auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt sind.

LIFEtool Apps

Aus den Forschungsprojekten heraus wurden Apps zum Erlernen der Tasterbedienung entwickelt, einfache und motivierende Spiele wie TouchMe PuzzleKlick und TouchMe HokusPokus. TouchMe UnColor ist eine App für Kinder zum Freilegen von Bildern. Die erst im Dezember 2014 erschiene App TouchMe Pairs ist eine Variation des beliebten Spieles „Paare finden“. Bei den Apps können eigene Medien eingebunden und an die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden. Über Dropbox können die erstellten Inhalte mit anderen AnwenderInnen ausgetauscht werden.

iPad in der Beratung

Mindestens 80% der Beratungen beschäftigen sich mittlerweile mit iPad und Co. In Österreich haben Betroffene im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn jedoch leider keinen Rechtsanspruch auf Assistierende Technologien. Die Finanzierung ist in den Bundesländern uneinheitlich und der Finanzierungsablauf für die Betroffenen häufig ein „Spießroutenlauf“ durch die Behörden. Als Tablet Computer und iPads auf den Markt kamen, war die Nachfrage in den Beratungsstellen sofort groß, wie diese Geräte für Menschen mit Beeinträchtigungen verwendet werden können. Spezielle Kommunikationshilfen kosten nämlich im Vergleich zu Tablet Computern ein Vielfaches mehr.
Innerhalb des BeraterInnen-Teams bei LIFEtool hat sich seit Auftauchen der ersten Apps für die Sonderpädagogik ein Team gebildet, das kontinuierlich den Markt auf Neuentwicklungen hin sondiert und sich auch national und international mit anderen ExpertInnen vernetzt. Seit 2011 wird eine App Liste geführt, in der die BeraterInnen aktuelle Apps bewerten. Über verschiedene Medienkanäle transportiert LIFEtool die Ergebnisse regelmäßig zu den NutzerInnen.
Eine Maxime in der Beratung ist, die iPads für die Betroffenen kostenfrei anzubieten. Das ist bisher immer gelungen und das bleibt hoffentlich trotz der schwierigeren finanziellen Situation für gemeinnützige Unternehmen am Sozialmarkt auch zukünftig.

iPad Bundle

Die Angehörigen oder auch die Betreuungspersonen der Betroffenen sind häufig mit der Einrichtung der iPads überfordert. Es gilt spezielle Einstellungen zu aktivieren oder zu deaktivieren und Apps zu installieren. Es wird oft zu viel installiert, sodass dann die notwendige Reduzierung für die Zielgruppe auf das Wesentliche nicht zum Tragen kommt. LIFEtool bietet iPad Bundles an, die fertig vorinstalliert sind, sodass die Betroffenen sofort loslegen können. Eine entsprechende Einschulung kann zusätzlich erworben werden. Das Angebot wird stark nachgefragt und die Rückmeldungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen bestärken das Team diesen Weg weiter zu gehen.
(Quelle: LIFEtool; SozialMarie 2015)
(von KI-I)