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Lesen Sie in diesem Interview mit ÖAR-Generalsekretärin Eringard Kaufmann ihre Meinung zu Sachwalterschaft und ihre Visionen über Gesellschaft und Leben. Ein herzliches Danke an Mag.a Kaufmann.
Frau Kaufmann, Sie haben lange als Sachwalterin fungiert und wünschen sich ein neues System. Wie soll dieses gestaltet?
Kollektive und individuelle Interessen- und Rechtsvertretung von Menschen mit Behinderungen war 25 Jahre lang meine Aufgabe im Rahmen der Vereinssachwalterschaft und Bewohnervertretung, die ich 14 Jahre davon als Geschäftsführerin in St. Johann im Pongau wahrgenommen habe.
„Hilfe zur Selbsthilfe“, der klassischer Grundsatz der Sozialarbeit, hat meine Arbeit als Sozialarbeiterin und Juristin seit den Zeiten der Wiener Psychiatriereform geprägt. Die Möglichkeit des stellvertretenden Handelns führt in der Praxis von großen Sachwalterschaftskanzleien viel zu oft zur faktischen Entmündigungen mit zusätzlichen unvertretbaren Kosten für Menschen mit Behinderungen. Das muss ein Ende haben. Sind sozialarbeiterisch geschulte VereinssachwalterInnen tätig, zeigt die Praxis, dass meist mit unterstütztem Handeln das Auslangen gefunden werden kann.
Die UN-Behindertenrechts-Konvention, die ja die Leitlinie für die Arbeit der ÖAR vorgibt, definiert unterstütze Entscheidungsfindung als Ziel. Der Weg von der Praxis des unterstützten Handelns in die Praxis der Vereinssachwalterschaft ist nicht mehr weit. Die Zeit eilt, denn 1983 wurde die rechtliche Entmündigung abgeschafft. Heute betrifft die faktische Entmündigung weit mehr Personen als damals. Schnelle Abhilfe ist gefordert.
Die Abkehr von einem rein medizinischen Modell der Behinderung wurde bereits im Heimaufenthaltsgesetz festgeschrieben. Damit hat das Bundesministerium für Justiz bereits 2005 bewiesen, dass durch gezielte gesetzliche Vertretung auch Veränderungen im Umfeld erreicht werden können. Dieser Erfolgsfaktor der Bewohnervertretung könnte auf die Sachwalterschaft übertragen werden und so einen wesentlichen Schritt in Richtung Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ermöglichen.
Was sind Ihrer Meinung nach die kurz- bist mittelfristig wichtigsten Handlungsfelder als ÖAR-Generalsekretärin?
(Anmerkung: Das umfasst einen Zeitraum von jetzt bis in drei Jahren.)

Die Ergebnisse der aktuellen Strategieentwicklung werden im Juni dem Delegiertentag der ÖAR zur Entscheidung vorgelegt. Ziel ist es, die ÖAR zu einer starken Interessenvertretung für die Rechte und Anliegen der Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Konvention zu machen.
Dafür wird die Organisation den aktuellen Anforderungen entsprechend weiterentwickelt. So kann die ÖAR gemeinsam mit ihren Mitgliedsorganisationen mit voller Kraft einen wichtigen Beitrag zur Erreichung definierter Ziele auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft leisten.
Ganz allgemein gesprochen, was wünscht sich die neue ÖAR-Generalsekretärin zu erreichen und bis wann?
In dieser Zeit der allgegenwärtigen Krise ist es mein Wunsch, den Glauben daran, dass wir es alle gemeinsam sind, die unsere Lebensumstände gestalten, neu zu beleben.
Die ÖAR als großer Dachverband bringt alle Voraussetzungen mit, hierbei eine wichtige Rolle in Österreich zu übernehmen. Ich habe die Vision einer inklusiven Gesellschaft, die zum Wohle aller Menschen in ihrer Vielfalt und in ihrem Reichtum unabhängig von Behinderung ist. Diese Idee wird schon von so vielen Menschen auf der ganzen Welt mitgetragen. Ehedem brachen wir auf, um eine Psychiatriereform zu beginnen. Heute bin ich dankbar, noch einmal mit aufbrechen zu dürfen. Der Weg, der hinter uns liegt, ist für mich Motivation für den Weg, der vor uns liegt. Denn die gemeinsamen Erfolge haben schon oft in meinem Leben meine Hoffnungen übertroffen.
(Quelle: Interview mit Frau Mag.a Kaufmann)
(von KI-I)