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Monika Rauchberger ist Projektleiterin bei Wibs, einer Beratungsstelle für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Innsbruck. Sie möchte, dass Männer und Frauen mit Lernschwierigkeiten einen richtigen Job bekommen. Im folgenden Artikel erzählt sie über ihr Leben mit Persönlicher Assistenz.
Ich habe jetzt schon seit vier Jahren Persönliche AssistentInnen, die mich in meiner eigenen Wohnung unterstützen. Ich habe schon vor der Übersiedlung mit einem Assistenten das Anleiten üben können. Zum Beispiel bin ich mit dem Assistenten viele Sachen für meine Wohnung in verschiedenen Möbelkaufhäusern anschauen gegangen. Ich habe für mich und meinen Freund einige Doppelbetten angesehen. Ich habe damals schon ein wenig persönliche AssistentInnen anleiten können, weil ich das bei meiner Arbeitsstelle bei Wibs gelernt habe.
Dann bin ich von der betreuten Wohngemeinschaft in meine neue behindertengerechte Wohnung gezogen. Dort habe ich von Anfang an Persönliche AssistentInnen gehabt. Unter der Woche kommt in der Früh um 7 Uhr eine oder einer von meinen sechs AssistentInnen zu mir. Meistens sage ich gleich, was ich zum Trinken und zum Essen will. Dann macht mir der/die AssistentIn mein Frühstück, so wie ich das will. Anschließend frisiert sie mir die Haare durch und bindet sie mit einem Haargummi zusammen. Die Assistentin richtet mir die Tabletten auf einem Tuch her, dass ich sie nur mehr von dem Tuch nehmen und in den Mund geben muss. Während ich frühstücke, macht die AssistentIn das, was ich ihr sage. Zum Beispiel: Sie macht im Schlafzimmer die Balkontür auf. Sie schüttelt die Bettdecke aus und richtet sie so her, dass ich mich am Abend nur mehr zudecken brauche.
Dann richtet mir die Assistentin ein Mittagessen für die Arbeit und packt es mir in den Rucksack. Wenn in der Früh noch Zeit bleibt, dann sage ich zu der Assistentin, sie soll bitte noch die Böden zusammenkehren. In der Früh machen die AssistentInnen ein oder zwei Stunden bei mir Dienst, am Abend drei bis vier Stunden. Ich leite die AssistentInnen immer an.
Am Abend sage ich den AssistentInnen, sie sollen mit mir die Waschmaschine mit Buntwäsche, Kochwäsche oder Wollwäsche vollfüllen. Ich sage ihnen auch, welches Waschmittel und welchen Weichspüler sie in die Waschmaschinenschublade leeren sollen.

Wochenende

Am Wochenende habe ich meistens 3,5 Assistenzstunden. Ab und zu habe ich mehr oder weniger Assistenzstunden am Wochenende. Zum Beispiel: Wenn ich ein Bocciaturnier habe, dann brauche ich viel mehr Assistenzstunden. Jeden Monat kann ich 115 Assistenzstunden verbrauchen.
Ich kann selbst einteilen, wofür ich sie verwende. Ab und zu brauche ich weniger Assistenzstunden. Zum Beispiel, wenn ich mit einer Freundin unterwegs bin, die mich unterstützt. Wenn am Ende des Monats Stunden überbleiben, kann ich sie in den nächsten Monat mitnehmen und später verbrauchen.
Am Anfang war es für mich gar nicht leicht, zu den AssistentInnen zu sagen, was sie in meiner Wohnung alles machen sollen. Man braucht gegenseitig viel Geduld, um das zu lernen. Es kann von niemandem erwartet werden, dass das mit dem Anleiten plötzlich von heute auf morgen geht. Einige Menschen mit Lernschwierigkeiten brauchen länger, um das Anleiten zu erlernen.

Konflikte lösen

Manchmal habe ich Konflikte mit den AssistentInnen. Zum Beispiel, wenn sie etwas nicht so machen, wie ich es will. Wenn sie mit der Arbeit einfach anfangen, bevor ich ihnen einen Arbeitsauftrag gegeben habe. Am Anfang haben mich die AssistentInnen oft nicht gefragt, was ich zum Frühstück trinken will. Immer wieder kommt es auch vor, dass AssistentInnen den Schreibtisch aufräumen, ohne mich zu fragen. Dann bin ich verärgert. Es ist nicht leicht, über Probleme zu reden. Mittlerweile mache ich es so: Wenn mich etwas stört, sage ich zu den AssistentInnen sofort, was mich stört.
Damit ich in meine eigene behindertengerechte Wohnung ziehen kann, haben mir zwei Mitarbeiterinnen und ein Assistent von Selbstbestimmt Leben Innsbruck geholfen. Eine Mitarbeiterin hat mit mir das Bauliche besprochen, damit in der behindertengerechten Wohnung alles für mich barrierefrei ist. Zum Beispiel: Alle Lichtschalter müssen gleich hoch sein, damit ich sie aus dem Rollstuhl erreichen kann. Oder dass sich die Wohnungstür automatisch öffnet, dass ich ohne Hilfe hinein- und herausfahren kann.
Die andere Mitarbeiterin von Selbstbestimmt Leben Innsbruck hilft mir mit den AssistentInnen. Sie gibt mir den Namen und die Handynummer von Leuten, die als AssistentInnen arbeiten wollen. Dann schreibe ich ihnen ein SMS und stelle mich kurz vor. Ich frage, wann sie Zeit haben für ein Vorstellungsgespräch und mache einen Terminvorschlag. Meistens bekomme ich sofort eine Antwort. Ich mache immer ein Vorstellungsgespräch, bevor jemand fix bei mir arbeitet. Zuerst stelle ich mich vor. Ich habe am Computer einen Text, in dem ich die wichtigsten Dinge über mich aufgeschrieben habe. Die BewerberInnen lesen vom Computer vor und können mir auch noch Fragen stellen. Nachher stellen sie sich bei mir vor. Auf dem Computer habe ich Fragen vorbereitet, was ich wissen will. Ich frage meistens sehr genau nach.
Die AssistentInnen bekommen ihr Geld von Selbstbestimmt Leben Innsbruck. Ich habe leere Assistenzstundenzettel. Die AssistentInnen tragen darin die Stunden ein, die sie bei mir gearbeitet haben. Am Monatsende gebe ich die Assistenzstundenzettel bei Selbstbestimmt Leben Innsbruck ab. Jeden Monat bekomme ich eine Rechnung. Ich muss nur einen Selbstbehalt bezahlen. Das Meiste bezahlt das Land Tirol.
Ich kenne mich jetzt schon sehr gut aus, bekomme aber immer noch Hilfe von Selbstbestimmt Leben Innsbruck. Zum Beispiel: Wenn eine Assistentin aufhört, bei mir zu arbeiten. Dann muss ich Selbstbestimmt Leben Innsbruck darüber informieren. Ich schreibe ihnen dann eine E-Mail. Auch wenn ich eine neue Assistentin brauche, schreibe ich eine E-Mail. Dann schickt mir die Mitarbeiterin Namen und Telefonnummern von neuen BewerberInnen.

Urlaub

Ich kann auch mit AssistentInnen auf Urlaub fahren. Ich bin schon einmal mit einer Assistentin und mit zwei Freundinnen auf Urlaub gefahren. Ich habe für die Assistentin auch die Busfahrt, das Hotel und das Essen mitbezahlt. Vor dem Urlaub habe ich vieles ausgemacht. Zum Beispiel: Wann ich die AssistentIn brauche und wann sie selbst Freizeit hat. Sie muss nicht immer dabei sein. Ich habe viel mit meinen zwei Freundinnen alleine gemacht.
Seit ich in meiner eigenen behindertengerechten Wohnung lebe, weiß ich ganz genau, was der Unterschied zwischen persönlicher Assistenz und Betreuung ist. Davor habe ich eine Ewigkeit in Heimen und in einer Wohngemeinschaft gelebt. Dort gab es nur Betreuung. Die BetreuerInnen in den Heimen und auch in den Wohngemeinschaften geben den Dienstplan vor. Sie sagen, was die BewohnerInnen zu tun haben. Die BetreuerInnen lassen die BewohnerInnen mit Behinderungen nie aus den Augen. Die BetreuerInnen haben viel zu viel Angst, dass mit den Menschen mit Behinderungen im Heim etwas passieren könnte. Ich habe es nicht gut gefunden, dass man immer zu bestimmten Zeiten im Heim sein musste. Zum Beispiel zu den Essenszeiten.
Jetzt ist alles viel besser. Meine AssistentInnen kommen zu mir, wann ich es mit ihnen ausmache. Dann sage ich ihnen, was sie für mich tun sollen. Und wie sie es tun sollen. Die AssistentInnen machen sich um mich keine Sorgen. Sie wissen, dass ich entscheide und die Chefin bin. Das Organisieren und das Anleiten sind oft nicht so leicht. Man muss sich beides erarbeiten und man muss mit sich selbst auch geduldig sein.
(von Behinderte Menschen 06/2012)