von Oliver Anthofer, http://www.oliveranthofer.at.tf/
Der 4. Oktober 1987 hat mein Leben verändert. Nach einer gemütlichen Runde mit Motorradkollegen – einige davon leben heute schon nicht mehr – und ein paar Bierchen fuhr ich mit dem Motorrad nach Hause. Durch den Alkohol mutig geworden versuchte ich, die so genannte “Bobbahn” (Autobahnausfahrt in Innsbruck) mit 100 Sachen zu schaffen. Die Kurve gelang mir zwar gerade noch, doch die Fliehkraft katapultierte mich über den Fahrbahnrand auf die 10 m darunter liegende Strasse.
Am nächsten Tag bin ich in der Klinik aufgewacht und konnte mich an nichts mehr erinnern. Nur meine Beine waren schwer wie Blei, und ich konnte mich einfach nicht rühren. Meine Mutter weinte neben dem Bett, und mir war auch zum Heulen zumute. Dann kam ein Arzt und erklärte mir, dass ich von nun an im Rollstuhl weiterleben werde. Das Leben schien auf einen Schlag sinnlos geworden zu sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, noch etwas damit anzufangen. Vorher war ich lebenslustig gewesen, hatte mich gern in der Natur aufgehalten und liebte die Berge. Und nun sollte das alles nicht mehr sein? Ich sammelte Schlaftabletten und wollte nicht mehr leben.
Bald kam ich jedoch ins Rehabilitationszentrum nach Bad Häring und stellte fest, dass ich nicht der Einzige war, der ein völlig neues Leben anfangen musste. Ich lernte nette Menschen kennen, die mit härteren Schicksalsschlägen leben mussten. Also ging es mir ja noch relativ gut, na ja …
Vom RZ Bad Häring wurden Ausflüge organisiert, unter anderem der Besuch der Paralympischen Spiele in Innsbruck. Desinteressiert schloss ich mich den anderen an und lernte Langläufer im Schlitten kennen. Der grundlegende Schritt in Richtung Leistungssport war damit getan, für mich jedoch noch nicht erkennbar.
Als ich im Frühjahr das Rehazentrum verlassen musste, verschlug es mich nach Schwaz. Dort war im Invalidenwohnheim ein Zimmer frei. Ich lebte mich schnell in der netten Wohnanlage ein. Junge Menschen bewohnten mit mir dieses Haus, und wir erlebten miteinander eine schöne Zeit.
Trotzdem fragte ich mich immer wieder, warum mir das passiert war. Da ich meine Lehre bei den ÖBB absolviert hatte, wurde mir eine Arbeit im Büro angeboten. So konnte ich nach meiner Umschulung weiterhin einer Arbeit nachgehen. Wenigstens gab es in diesen Dingen nie ein Problem.
Mit einer Einladung des nordischen Teams zum Schnupperkurs nach Obertauern begann meine Laufbahn als Schlittenlangläufer. Unter schwierigsten Verhältnissen, bei schlechtem Wetter und mit bescheidener Ausrüstung wurde ich vom Ehrgeiz gepackt. Ich dachte mir, ich werde so lange trainieren, bis ich die Goldmedaille bei den Paralympischen Spielen erreiche. Von da an verbrachte ich jede freie Stunde mit dem Langlaufen. Ich konnte mich aufgrund meines harten Trainings sehr schnell in den Nationalkader vorarbeiten und internationale Wettkämpfe bestreiten. Die erste Großveranstaltung, an der ich teilnahm, waren die Paralympischen Spiele 1992 in Albertville, Tignes, Frankreich. Meine Ausbeute damals war zwei Mal Edelmetall: Silber u Bronze. Mittlerweile konnte ich bei Europa- und Weltmeisterschaften den obersten Podestplatz belegen. Doch eines ist mir bis heute noch nicht gelungen, und daran arbeite ich immer noch, und zwar die Goldene bei den Paralympics zu erreichen.
Im kommenden Winter habe ich wieder einmal die Möglichkeit, dies zu schaffen: Bei meiner fünften Teilnahme an den größten Spielen, die es gibt.