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Dr. Anton Došen ist Psychiater und emeritierter Professor für „Psychiatrische Aspekte geistiger Behinderung“ an der Universität Nijmegen. Er widmete seinen Vortrag besonders jenen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen, bei denen zusätzlich Verhaltensstörungen und  psychiatrische Störungen vorliegen. Verhaltensstörungen und psychiatrische Störungen treten bei Menschen mit Autismus häufiger auf als bei Menschen mit Lernschwierigkeiten (kognitiver Beeinträchtigung) und wesentlich häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung. Nach Dr. Došens Erfahrungen leiden 70 % dieser Menschen an psychiatrischen Störungen wie Angststörungen, Depressionen und psychotischen Störungen.
Dr. Došen berichtet, dass die verschiedenen Behandlungsansätze für Menschen mit Autismus bisher vorwiegend die Kernsymptome von Autismus bestreffen. Die Behandlung begleitender Symptome ist weniger entwickelt. Somit wird an einem Teil der Situation eines Betroffenen gearbeitet und ein Teil ganz oder teilweise außer Acht gelassen.
Dr. Došen berichtet, dass bei Betroffenen häufig eine Diskrepanz zwischen kognitiver und emotionaler Entwicklung festgestellt werden kann, was diese Menschen besonders verwundbar für Verhaltensstörungen und psychiatrische Probleme macht. Er findet es deswegen besonders bemerkenswert, dass in der bisherigen Behandlung von Menschen mit Autismus der kognitiven und emotionalen Entwicklung kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dabei ist der Grad der emotionalen Persönlichkeitsentwicklung ein entscheidender Faktor für zwei Dinge: Erstens die soziale Interaktion mit dem Umfeld, also anderen Menschen und zweitens ist die emotionale Entwicklung wichtig für die Entwicklung von Strategien, wie man sich in fremden Umgebungen oder Situationen zurecht findet.
Dr. Došen plädiert daher für einen integrativen Behandlungsansatz, der die verschiedenen Aspekte der Persönlichkeit mit einschließt. In diesem Behandlungsansatz sind die soziale, emotionale, psychologische und kognitive Entwicklung von Menschen mit Autismus integriert.
Die Assessment-Strategie ist ganzheitlich und beschäftigt sich, ausgehend vom gezeigten Symptom mit einer ganzheitlichen Abklärung des Phänomens, um den Hintergrund zu verstehen und damit das Symptom korrekt zu interpretieren und zu behandeln. Bei der Analyse werden zuerst der Mensch und dessen Interaktionen mit dem Umfeld in den Mittelpunkt gestellt. Häufig können dadurch bereits wichtige Lösungen gefunden werden, die im Bedarfsfall durch eine Kombination medizinischer, psychologischer, verhaltensbasierter, sozialer,  emotionaler und kognitiver Behandlungsstrategien ergänzt werden. Dieser integrative Behandlungsansatz wird bereits in verschiedenen Ländern wie den Niederlanden und Belgien erfolgreich eingesetzt.
(von KI-I)