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Nach Debatte über den Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion 2010 und Genehmigung eines Abkommens mit Moldawien setzte sich der heutige Sozialausschuss mit insgesamt  über 21 Entschließungsanträgen der Opposition auseinander, die  teils abgelehnt, teils vertagt wurden. Erfreut zeigten sich die Abgeordneten vor allem über das Zustandekommen zweier Fünf-Parteien-Anträge, die auf eine Vereinfachung des Zugangs zu benötigten Hilfsmitteln für behinderte Kinder und eine Vereinheitlichung der Begutachtung für die Ausstellung von Parkausweis und Behindertenpass abzielen.

Behinderteneinstellung: Opposition erinnert Staat an Vorbildfunktion

Ein Antrag der FPÖ betreffend neue Wege in der Behinderteneinstellungspolitik zog eine Debatte über die Rolle des Staates und der staatsnahen Unternehmungen bei der Erfüllung der diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben nach sich. Konkret forderte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein in ihrer Initiative für den öffentlichen Sektor den Wegfall der Möglichkeit, sich von der verpflichtenden Beschäftigung Behinderter durch Zahlung einer Ausgleichstaxe freizukaufen. Statt dessen sollten bei Nichterfüllung der Quote die entsprechenden Planposten nicht besetzt werden, lautete ihr Vorschlag.
Grundsätzliche Unterstützung fand der Antrag beim BZÖ, wenngleich Abgeordneter Gerald Grosz für eine weitergehende Lösung eintrat und auf die Verankerung einer gesetzlichen Verpflichtung für die öffentliche Hand zur Behinderteneinstellung drängte, um, wie er betonte, jede Möglichkeit des Freikaufs zu unterbinden. Entrüstet zeigte er sich über den Umstand, dass neben der Verwaltung auch öffentliche Unternehmen wie etwa der ORF und die ÖBB die Quote nicht erfüllen.
Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) konnte sich der Forderung der Freiheitlichen hingegen nicht anschließen und gab zu bedenken, die Ausgleichstaxe sei bereits angehoben worden, was auch die öffentliche Hand treffe. Klar waren für ihn aber die Bedeutung der Beschäftigung für Menschen mit Behinderung und das Beispiel des Staates bei der Behinderteneinstellung. Sein Fraktionskollege Abgeordneter Oswald Klikovits sprach von ungewollten Folgewirkungen, die der FPÖ-Antrag seiner Meinung nach auslösen würde, und führte überdies ins Treffen, dass der Bund seiner Verpflichtung zur Behinderteneinstellung insgesamt nachkomme.
Die von der FPÖ geforderten Maßnahmen könnten zu Mindereinnahmen im Ausgleichstaxenfonds führen, was letztlich zu Lasten von Behindertenprojekten gehen würde, befürchtete Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S).
Für die Grünen mahnten die Abgeordneten Helene Jarmer und Karl Öllinger die Vorbildwirkung des Staates bei der Einstellung Behinderter ein, lehnten den Antrag jedoch ab. Öllinger hielt eine Streichung von Planposten für den falschen Weg und plädierte hingegen für eine Erhöhung der Ausgleichstaxe.
Bundesminister Rudolf Hundstorfer betonte, die Summe aller Ministerien erfülle seit 2006 die Vorgaben des Gesetzes, Finanz- und Sozialministerium würden sogar "übererfüllen". Unterrichts- und Innenressort kommen ihren Verpflichtungen nicht nach – und sie werden sie auch nicht erfüllen, meinte der Minister. Was die ÖBB und Nahversorger wie U-Bahn, Autobusse und Tram betrifft, sei die Einstellung von Behinderten problematisch, da es in diesen Bereichen aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen keinen entsprechenden Arbeitsmarkt für Behinderte gebe: Hier "gehe es einfach nicht", meinte Hundstorfer.
Bei der Abstimmung blieb der Antrag mit den Stimmen von FPÖ und BZÖ in der Minderheit.
Zum Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung lagen dem Ausschuss weitere Anträge der Opposition vor, die bei der Abstimmung abgelehnt bzw. vertagt wurden.
In der Minderheit blieb die FPÖ mit ihrer Forderung, eine eigene Interessenvertretung in der AK für Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzurichten. Die Abgeordneten Ulrike Königsdorfer-Ludwig (S) und Oswald Klikovits (V), aber auch Abgeordneter Karl Öllinger (G) hielten dem entgegen, es sei auch jetzt schon gewährleistet, dass Behinderte Rechtsauskunft durch die AK erhalten.
Ebenfalls abgelehnt wurde eine Initiative der FPÖ betreffend gesetzliche Verankerung der Werkstättenräte, wobei SPÖ und ÖVP einwandten, dies falle in die Länderkompetenz und sei in einigen Bundesländern bereits umgesetzt.
Für obsolet erklärten ÖVP und SPÖ den Vorstoß der FPÖ auf Anpassung der Funktionsdauer der Behindertenvertreter im öffentlichen Dienst an die Funktionsdauer der Personalvertreter. Dies sei mit der Novelle zum Behindertengleichstellungsgesetz erfüllt worden, informierte Abgeordneter Oswald Klikovits (V).
Mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurden hingegen ein Antrag der FPÖ betreffend sozialrechtliche Absicherung von Arbeitsverhältnissen am zweiten Arbeitsmarkt und eine Initiative des BZÖ zur bundeseinheitlichen Regelung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von behinderten Menschen in Beschäftigungstherapie. Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) wies in diesem Zusammenhang auf eine Arbeitsgruppe, die sich bereits mit diesem Thema befasse, hin.

Hundstorfer stellt Lösung der Blindenführhundproblematik in Aussicht

Keine Zustimmung erhielten auch die Anträge von FPÖ und Grünen, die sich der Anerkennung von Blindenführhunden als medizinische Rehabilitationsmaßnahme (603/A[E] und 921/A[E]) sowie der Förderung der Blindenführhundeausbildung nach Schweizer Vorbild (719/A[E]) annehmen.
Für S-Mandatar Dietmar Keck stand außer Frage, dass die Anträge gut gemeint seien, doch setzten sie nicht dort an, wo es sinnvoll wäre. Es gelte schließlich sicherzustellen, dass mit Blindenführhunden kein Geschäft gemacht werden könne. Das Schweizer Modell, das die Freiheitliche Fraktion anstrebe, sei außerdem keineswegs so kostengünstig und vorteilhaft, wie F-Abgeordneter Bernhard Vock ausgeführt habe. Die Schritte, die Bundesminister Hundstorfer diesbezüglich setze, halte er für weit sinnvoller. Dieser stellte eine baldige Lösung der Problematik in Aussicht, in dem er auf laufende Arbeiten bezüglich Ausbildung von Blindenhunden in staatlichen Einrichtungen verwies. In diesem Zusammenhang gebe es jedoch noch einiges zu klären, meinte Hundstorfer, der es für problematisch hielt, diese Angelegenheit einem Markt, der die Situation der Betroffenen für seine Zwecke "ausnütze", zu überlassen.
Die diesbezüglich angedachten Maßnahmen des Ministeriums hielt auch Abgeordneter Karl Öllinger (G) für sinnvoll. Darüber hinaus gelte es aber eine Stelle zu etablieren, die Hunde-AusbilderInnen und Hilfsvereinen "auf die Finger schaue", um zu gewährleisten, dass die betroffenen Menschen nicht "ausgenommen" werden, forderte er.
Eine Anerkennung von Blindenführhunden als medizinische Rehabilitationsmaßnahme, wie von FPÖ und Grünen gefordert, hielt V-Mandatarin Irina Fürntrath-Moretti für nicht zielführend. Es handle sich vielmehr um eine soziale Maßnahme, die in den Kompetenzbereich der Länder falle, begründete sie die Ablehnung der diesbezüglichen Anträge.
Keine ausreichende Unterstütztung fand auch der Antrag der FPÖ betreffend Schwerhörigenarbeit in Österreich (227/A[E]), der von G-Abgeordneter Helene Jarmer als zu umfangreich kritisiert worden war. Die ausschließliche Adressierung an den Sozialminister hielt die Grüne Abgeordnete außerdem für eine nicht annehmbare Beschränkung. F-Mandatarin Dagmar Belakowitsch-Jenewein meinte, der Antrag wolle vor allem auf die spezifischen Bedürfnisse chwerhöriger Menschen hinweisen. Auf diesem Gebiet bestehe schließlich Handlungsbedarf.
Abgelehnt wurden aber auch die Forderungen des BZÖ nach Etablierung eines bundesweit einheitlichen Systems zur Bewilligung der Finanzierung von Hilfsmitteln und Rehabilitationsgeräten für chronisch behinderte Kinder (937/A[E]) und nach umfassenden Verbesserungen im Behindertenbereich (1386/A[E]), für die B-Mandatarin Ursula Haubner geworben hatte. Sie zeigte sich jedoch erfreut darüber, dass in Zusammenhang mit erster Forderung ein Fünf-Parteien-Antrag zu Wege gebracht werden konnte, der vorsehe, Lösungen für eine zentrale Anlaufstelle zur Bewilligung von Hilfsmitteln für behinderte Kinder zu erarbeiten.
Was die von Seiten des BZÖ gewünschten Verbesserungen im Behindertenbereich anbelangte, verwiesen V-Mandatar Franz-Joseph Huainigg und S-Abgeordnete Ulrike Königerberger-Ludwig auf den nationalen Aktionsplan, der nicht zuletzt der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen diene.

Oppositionsparteien: Barrierefreiheit so bald wie möglich garantieren

Nicht angenommen wurden auch die Anträge der Freiheitlichen betreffend Abbau baulicher Barrieren in von Ministerin genutzten Gebäuden (104/A[E] sowie 110/A[E]), Evaluierung der Barrierefreiheit und Behindertenbetreuung bei den ÖBB (1620/A[E]) und Flankierung des Diskriminierungsschutzes für behinderte Menschen im Versicherungsvertragsrecht (1634/A[E]) sowie der Antrag der Grünen betreffend Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts und der daraus resultierenden Bündelgesetze (781/A[E]).
Was die Forderungen der Freiheitlichen anbelange, so wären sie größtenteils nicht an den richtigen Ausschuss adressiert, begründete Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) ihre Ablehnung. Die an den ÖBB geübte Kritik wollte sie außerdem relativiert wissen: Schließlich habe dieses Unternehmen bereits viel im Behindertenbereich geleistet. V-Mandatar Franz-Joseph Huainigg sah in diesem Zusammenhang durchaus noch Verbesserungsbedarf gegeben. Diesbezügliche Optionen auszuloten, müsse dabei auch im Sinne der ÖBB liegen.
Abgeordnete Helene Jarmer (G) hielt es, was die Forderung nach Gewährleistung von Barrierefreiheit in von Ministerien genutzten Gebäuden anbelange, für zielführender, die jeweiligen RessortleiterInnen direkt zu konfrontieren. Dennoch werde ihre Fraktion den Anträgen zustimmen, schloss Jarmer. Ihr eigener Antrag auf Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts wurde unter Hinweis auf noch laufende Evaluierungsarbeiten abgelehnt.
Abgeordneter Gerald Grosz (B) konnte die Tendenz, Barrierefreiheit bis zum "St. Nimmerleinstag" hinauszuzögern, nicht nachvollziehen. Es gelte vielmehr, sie in vordringlichen öffentlichen Bereichen zu "erzwingen", stellte er fest. Den Antrag seiner Fraktion betreffend finanzielle Unterstützung von Menschen mit Behinderungen in der Rechtsdurchsetzung aufgrund von Diskriminierung durch private Versicherungsanstalten (898/A[E]) vertagte man mit S-V-Mehrheit. Dieses Thema gelte es nach Evaluierung des Behindertengleichstellungsgesetzes aber weiter zu diskutieren, zeigte sich S-Mandatarin Ulrike Königerberger-Ludwig überzeugt.
Auch FPÖ und Grüne hielten fest, dass es nicht angehen dürfe, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen von Versicherungsanbietern diskriminiert werden. G-Mandatar Karl Öllinger forderte in diesem Zusammenhang sogar die Festschreibung eines Kontraktionszwangs für Versicherungen. Damit käme es zu einer automatischen Zuteilung der Fälle und zur Beseitigung diesbezüglicher Diskriminierung. Auch V-Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg erachtete es für notwendig, der Thematik Aufmerksamkeit zu schenken. Die Diskussion darüber müsse jedoch in einem anderen Ausschuss stattfinden, begründete er den Antrag auf Vertagung.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer versicherte, dass man die Bemühungen um bauliche Barrierefreiheit nicht unzulässig hinauszögern wolle. Ab 2016 könnten Betroffene schließlich Schadenersatz einfordern. Eine Ausweitung dieser Frist bis zum Jahr 2019 sei nur dann möglich, wenn die Dienststellen dokumentierten, dass sie zur Herstellung eines barrierefreien Zustands länger brauchten. Diskriminierungstatbestände nehme man schließlich überaus Ernst, schloss er.

Begutachtung für Ausstellung von Ausweisen wird vereinheitlicht

Die Anträge der Freiheitlichen betreffend Vergütung von 20 % der Kaufpreises bei der Anschaffung von Kraftfahrzeugen durch Behinderte (106/A[E]) und Sicherstellung einer adäquaten Bestrafung der missbräuchlichen Verwendung von Behindertenausweisen (1497/A[E]) fanden nicht die erforderliche Mehrheit. Abgelehnt wurde zwar auch die Forderung der FPÖ nach Gewährung des Rechts auf Ausstellung eines Parkausweises für blinde und stark sehbehinderte Menschen (1528/A[E]), doch konnte auf dessen Basis ein Fünf-Parteien-Antrag zu Wege gebracht werden. Diese – auf einem Vorstoß von Abgeordnetem Franz-Joseph Huainigg (V) basierende – Initiative ermöglicht die Vereinheitlichung der Begutachtung für die Ausstellung von Parkausweis und Behindertenpass. Damit reduziere sich der Verwaltungsaufwand für die Betroffenen merklich, skizzierte Huainigg.
(von www.parlament.gv.at; Quelle: OTS)