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1911, vor 100 Jahren demonstrierten in Wien 20.000 Frauen für die Gleichstellung der Frauen. 2011 sind wir noch immer weit weg von der Erfüllung der Träume der Kämpferinnen für eine geschlechtergerechte Welt.
“Frauen, so erleben wir es im Diakoniewerk bei unserer Arbeit mit Menschen im Alter, sind gerade im Alter in einem viel größeren Ausmaß als Männer von Armut betroffen. Obwohl sie ein langes Arbeitsleben hinter sich haben, werden sie oft im Alter, wenn sie selbst pflegebedürftig werden, zu Sozialfällen, weil ihre Rente für einen Wohnplatz in einem Pflegeheim nicht ausreicht, weil sie auf Grund von Kinderbetreuungszeiten, Pflegezeiten für die Betreuung von Angehörigen und Teilzeitbeschäftigungen zu keiner ausreichenden finanziellen Altersvorsorge kommen”,  sagt Mag.a Christa Schrauf, Rektorin des Diakoniewerkes.
“Frauen, die in ihrem Leben viel geleistet haben, ja gesagt haben zu Kindern, Angehörige gepflegt haben, werden im Falle des eigenen Pflegebedarfs zu Bittstellerinnen, das ist entwürdigend”, so die Rektorin, “hier werden aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen, zugleich wahre soziale Nöte in unserem System ignoriert.”
Anlässlich des heurigen Weltfrauentages plädiert Schrauf für die Schaffung fairer Bedingungen vonseiten des Staates – die mehr als ein Lippenbekenntnis zur Gleichstellung sein sollen. Konkrete Maßnahmen zur flächendeckenden Kinderbetreuung – im speziellen die Abstimmung der Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen mit den Arbeitszeitmodellen der Unternehmen, sollen Frauen den Wiedereinstieg in ihren erlernten Beruf und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.
“Männer wie Frauen wollen sich beruflich verwirklichen und ihre Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen. Für Frauen ist dieser Weg heutzutage mehr als schwierig, da Familie UND Beruf viele Türen versperren und Teilzeitjobs, oftmals in berufsfremde Bereiche, die einzige Lösung zum Wiedereinstieg für Frauen darstellen.” Die persönliche Selbstverwirklichung spielt darüber hinaus dabei eine sehr untergeordnete Rolle.
Niedriges Einkommen, Beschäftigungsinstabilität, Beschäftigung unter Qualitätsniveau und begrenzte Aufstiegschancen sind Nachteile dieser atypischen Beschäftigungsverhältnisse – so auch ein Bericht zur Frauenerwerbsarbeit in Österreich.
Seit 1991 hat sich der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen von 20,3 auf 41,5% mehr als verdoppelt – und dort wird dann auch weniger bezahlt. Der Grund für den starken Anstieg weiblicher Teilzeitkräfte: Unvereinbarkeit zwischen Beruf und Familie. So gab 2008 knapp die Hälfte der 776.000 Frauen in Teilzeit an, aufgrund von Betreuungspflichten für Kinder oder zu familiären Pflegefällen nicht Vollzeit arbeiten zu können.
Auch die Haushaltsführung bleibt in Frauenhand. Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit wird von Frauen erledigt.
“Sehr vieles hat sich im Laufe der letzten 100 Jahre geändert, doch die Frauen bleiben in ihren traditionellen Rollenmustern sehr stark verhaftet und leisten Gratisarbeit, die ihnen keine soziale Absicherung bietet. Die wertvolle Arbeit, die Frauen für die Gesellschaft und letztlich für den sozialen Frieden leisten, muss Aufwertung finden”, so Christa Schrauf.
Laut einer aktuellen Studie der AK OÖ kommen 12 Prozent der Frauen gar nicht mit ihrem Lohn aus, 42 Prozent nur knapp. 16 Prozent der Frauen unter 25 kommen überhaupt nicht mit ihrem Einkommen aus, für immerhin 46 Prozent “reicht es gerade”.
“Eine Gesellschaft, die Kinder braucht, um ihre Zukunft zu sichern, muss auch adäquate Bedingungen schaffen, damit meine ich dementsprechende Strukturen in der Beschäftigungs- und Familienpolitik, die junge Menschen wieder eher Ja-Sagen lässt zu eigenen Kindern”, so die Rektorin des Diakoniewerkes.

Frauenpower im Diakoniewerk

Im Evangelischen Diakoniewerk Gallneukirchen, das an über 100 Standorten in Österreich für Menschen Pflege und Betreuung leistet, sind 78% der über 2.900 Mitarbeitenden Frauen. Bei den Angeboten für Menschen im Alter und Menschen mit Beeinträchtigung sind über 1.350 Mitarbeiterinnen tätig und über 500 Frauen arbeiten in den Krankenhäusern.
Eine umgekehrte Forderung zur Gleichstellung: Mehr Männer in der konkreten Betreuungsarbeit wünscht sich Schrauf: “Im Diakoniewerk arbeiten in den Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe über zwei Drittel Frauen, in manchen Bereichen sind fast nur Frauen tätig. Es braucht in den Sozialberufen auf allen Ebenen sowohl Frauen als auch Männer, die sich mit ihren unterschiedlichen Zugängen und Talenten einbringen, weil die Menschen, die betreut werden, Männer und Frauen sind, und weil das Leben männlich und weiblich ist.”
“Ich freue mich sehr, dass der Anteil der weiblichen Führungskräfte im Diakoniewerk bereits bei 65% liegt und hoffe, dass diese Entwicklungen auch Vorbildwirkung für andere Bereiche haben”, betont Schrauf.
Das Diakoniewerk setzt einen konkreten Schritt in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Der Wiedereinstieg von Frauen nach einer Babypause und damit die Förderung der Karrieremöglichkeiten von Frauen wird durch das Angebot eines 3. Karenzjahres ohne Verlust eines gleichwertigen Arbeitsplatzes unterstützt. Auch die Inanspruchnahme der Väterkarenz wird im Diakoniewerk gefördert.
Zahlen Freiwilligenarbeit (2011 ist das Europäische Jahr der Freiwilligkeit)

Diakonische HelferInnen im Diakoniewerk:

  • 2008: gesamt 60, davon 55 weiblich
  • 2009: gesamt 62, davon 28 weiblich
  • 2010: gesamt 74, davon 56 weiblich

Diakonische HelferInnen sind Personen, die im Diakoniewerk Diakonischen Einsatz absolvieren. Ein Diakonischer Einsatz ist eine Form der freiwilligen Mitarbeit im Diakoniewerk und ist vergleichbar mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr.

Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen

2010 waren insgesamt 152, davon 125 weibliche ehrenamtliche Mitarbeiterinnen im Diakoniewerk tätig.
(Text und Foto ©: Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.diakoniewerk.at)