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Mehr als 250 Menschen nahmen am 18. November an einer Demonstration der Selbstbestimmt-Leben-Initiative OÖ (SLI OÖ) in Linz teil, bei der gegen den Sparkurs der Landespolitik und für den unbedingt notwendigen Ausbau der Persönlichen Assistenz protestiert wurde. Motto der Protestaktion war “Die Politik will uns einsparen – wir wollen selbstbestimmt leben!”
Mit Trillerpfeifen, vielen Plakaten und Transparenten ausgerüstet, marschierten die DemonstrantInnen bei der bisher größten Protestkundgebung von Menschen mit Behinderung in Oberösterreich, gemeinsam vom Empowerment-Center der SLI OÖ zum Landhaus. Mit Parolen wie “Spart die Politik am falschen Fleck, sind bald viele Wähler weg” oder “Wir leben lieber selbstbestimmt – das geht nicht weil das Geld nicht stimmt!” erregte die Demonstration in Linz großes Aufsehen. Highlight der Protestaktion war ein Pflegebett mit einem darin liegenden Menschen mit Behinderung, der wegen fehlender Persönlicher Assistenz nicht rechtzeitig auf das WC gehen konnte…
Vor der Protestaktion lud die SLI OÖ gemeinsam mit der Interessenvertretung der AuftraggeberInnen der Persönlicher Assistenz GmbH zu einer Pressekonferenz, die seitens der Medien auf großes Interesse stieß.

133 Personen auf Warteliste für Persönliche Assistenz

An der Pressekonferenz wurde erklärt, dass sich seit dem Aufnahmestopp Herbst 2009 inzwischen 133 Personen für Persönlichen Assistenz in OÖ auf einer Warteliste befinden. “Diese Warteliste ist aber eigentlich keine Warteliste, sondern ein Abstellgleis, weil niemand auf dieser Liste eine Chance hat, in absehbarer Zeit Persönliche Assistenz zu bekommen”, erklärte der Geschäftsführer der Persönlichen Assistenz GmbH Günther Breitfuß.
40 Personen davon sind in Dringlichkeitsstufe 1 eingestuft, was die unmittelbare Bedrohung von Verwahrlosung oder zumindest eine permanente Unterversorgung in den Grundbedürfnissen bedeutet. “Die Situation ist unhaltbar und wir lassen es uns nicht gefallen, dass auf Kosten von Menschen mit Assistenzbedarf gespart wird. Unsere Protestaktion soll zeigen, dass wir Menschen mit Behinderung nicht so wehrlos sind, wie viele glauben möchten”, erklärte Alfred Prantl von der Interessenvertretung der AuftraggeberInnen der Persönlicher Assistenz GmbH.

Betroffene ist verzweifelt

Ingeborg Kuppek (52), die wegen Multipler Sklerose auf den Rollstuhl angewiesen ist und bereits seit 2009 vergeblich auf Persönliche Assistenz wartet, meinte bei der Pressekonferenz verzweifelt: „Ich sehe für mich keine Zukunft mehr. Meistens muss ich die Tage im Nachthemd verbringen und darauf warten, dass mein Ehemann am Abend von der Arbeit heimkommt und mir etwas zu essen macht. Ich fühle mich verhöhnt und im Stick gelassen!“

Neue Straßen wichtiger als Menschen mit Behinderung?

„Es ist nicht einzusehen, dass die Priorität der Politik offensichtlich im Straßenbau und nicht im Sozialbereich liegt wie die Diskussion um den Linzer Westring in der letzten Zeit gezeigt hat. Das ist so als würde man für jemanden der fast hungert neue Schuhe kaufen, statt etwas zu essen“, meinte ein Teilnehmer bei der Protestaktion verärgert.

Forderungen wurden an die Politik übergeben

Während der Protestaktion bekam eine kleine Delegation von SLI OÖ Zutritt zum Büro des Landeshauptmannes Dr. Josef Pühringer, der gerade einen Termin mit dem Landeshauptmann-Stellvertreter und Soziallandesrat Josef Ackerl hatte. Beiden wurde ein schriftliches Positionspapier von SLI OÖ übergeben. Dieses Papier enthält folgende Forderungen:

  • Eine sofortige bedarfsgerechte Ausweitung der Persönlichen Assistenz durch die Bereitstellung der dazu erforderlichen finanziellen Mittel, damit die drohende Gefahr der Verwahrlosung von Menschen mit Behinderung abgewehrt werden kann.
  • Personen in Dringlichkeitsstufe 1 müssen sofort Persönliche Assistenz erhalten, die restlichen AntragstellerInnen sollen Persönliche Assistenz in absehbarer Zeit bekommen.
  • Menschen, die bereits Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen und deren Bedarf sich erhöht hat, müssen die Möglichkeit zu einer Stundenaufstockung erhalten.
  • Die mittel- und langfristige Umsetzung von Maßnahmen, die die Finanzierbarkeit Persönlicher Assistenz bedarfsgerecht und nachhaltig gewährleisten.
  • Die finanzielle Absicherung des Sozialbereichs muss für die Landespolitik oberste Priorität haben, denn hier geht es um das existentielle Wohlergehen von Menschen.
  • Die Dialogbereitschaft, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen Politik und den Anbietern von sozialen Dienstleistungen, Betroffenen und deren Interessenvertretungen muss verstärkt werden.

Der Soziallandesrat, LH-Stv. Ackerl nahm sich noch Zeit, um persönlich zu den TeilnehmerInnen der Protestaktion zu sprechen, verwies aber darauf, dass es zur Zeit nicht möglich sei, das Sozialbudget so zu erhöhen wie es eigentlich notwendig wäre, weil wegen der Auswirkungen der Wirtschaftskrise die Einnahmen dazu fehlen. Ackerl fordert auf Bundesebene die Einführung einer Millionärssteuer, damit der Sozialbereich in Zukunft ausreichend finanzierbar ist.
Ein schriftliches Ersuchen vom Sommer 2010 der SLI OÖ um Stellungnahme des Landeshauptmannes zur Situation, in der sich Menschen mit Behinderung befinden, die bereits seit Herbst 2009 keine Persönliche Assistenz bekommen können, blieb bis November unbeantwortet. In einem Schreiben, das am schließlich am Tag der Protestaktion am 18. November bei SLI OÖ einlangte, meint Landeshauptmann Dr. Pühringer: “Leider ist es trotz der gleichzeitigen Kürzungen bei den anderen Budgetpositionen nicht möglich, im Sozialbereich eine Erhöhung in jenem Ausmaß zu beschließen, wie wir es in Oberösterreich vor der Krise gewohnt waren. Deswegen kann der weitere Ausbau im Behindertenbereich auch leider nicht in der früheren Geschwindigkeit erfolgen. Ich kann aber versichern, dass ich mich gemeinsam mit LH-Stv. Ackerl sehr bemühen werde, für den Behindertenbereich trotz der angespannten Budgetsituation Lösungen zu finden”.
“Wir werden weiterhin gegen den Sozialabbau und für die Anliegen behinderter Menschen kämpfen”, versprach Leopold Boyer, der Obmann von SLI OÖ abschließend.
(von SLI OÖ)