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Wohnformen für Menschen mit Beeinträchtigungen im In- und Ausland waren Thema des hochkarätig besetzten Kongresses der Caritas für Menschen mit Behinderungen. Von 10. bis 11. November fanden im Mariott Hotel in Linz die von der Caritas für Menschen mit Behinderungen veranstalteten Zukunftsgespräche mit dem Titel “wohnen bewegt” statt. “Das Ziel des Kongresses war, dass wir auf internationaler Ebene voneinander lernen und unser Wissen austauschen. Dadurch soll es uns gelingen, Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrem alltäglichen Leben künftig noch besser zu unterstützen“, betont Dr.in Gertraud Assmann, Geschäftsführerin der Caritas für Menschen mit Behinderungen.
Internationale ExpertInnenen aus Finnland, England, Deutschland, Österreich und Ungarn berichteten über ihre Erfahrungen aus den jeweiligen Ländern und Einrichtungen. In Workshops diskutierten rund 150 TeilnehmerInnen, wie man Menschen mit Beeinträchtigungen auch künftig ein bestmögliches Wohnangebot zur Verfügung stellen kann. Durch das Programm führten mit Schwung und Charme die ModeratorInnen Dr.in Christine Haiden und Michael Wilhelm, der selbst im teilbetreuten Wohnen der Caritas in Peuerbach lebt.
Im Mittelpunkt stand zu Beginn der Veranstaltung die Ankündigung des Sozialressorts des Landes OÖ, aufgrund des knappen Sozialbudgets u.a. bei Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen in Oberösterreich Einsparungen tätigen zu müssen. Neue Wohn- und Beschäftigungsprojekte werden nicht in Betrieb genommen, obwohl ein großer Bedarf an Betreuungsplätzen besteht. “Angesichts der derzeitigen budgetären Situation kann ich keine Prognose abgeben, wann diese baulich fertigen Einrichtungen in Betrieb gehen werden. Der Bedarf an Wohneinrichtungen und Werkstätten ist jedenfalls da”, betonte Mag.a Renate Hackl vom Land OÖ.

Fortschrittlicher finnischer Weg

Eindrucksvoll war insbesondere der Vergleich zwischen Österreich und Finnland. Während in Oberösterreich der Sparstift angesetzt wird, werden in Finnland jährlich finanzielle Mittel zur Förderung von 600 Wohnungen zur Verfügung gestellt. “Durch ein vom Staat initiiertes Projekt, wollen wir die stationäre Betreuung in Einrichtungen in den nächsten fünf Jahren drastisch reduzieren und den Menschen ein selbstständiges Leben ermöglichen”, erklärte Dr. Markku Niemelä, Geschäftsführer von Eteva, einem Anbieter von Dienstleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen in Finnland, in seinem Fachvortrag. „In Finnland hatten wir früher große Einrichtungen an fixen Standorten mit vielen Bewohnern“, so Dr. Niemelä. „In den 80er Jahren begannen wir, langsam zu gemeindeintegriertem Wohnen überzugehen. Anfangs verlief der Prozess langsam. Das änderte sich jedoch im Laufe der Zeit. Mittlerweile leben über vier Mal so viele Menschen in „Gruppenhäusern“/“Servicehäusern“ als in Einrichtungen. In jedem Haus leben vier bis sechs Menschen. JedeR von ihnen hat ein eigenes Zimmer.“
In Österreich gibt es dagegen noch größere Einrichtungen. Mag. Stefan Pimmingstorfer, Leiter der Abteilung „Wohnen“ der Caritas für Menschen mit Behinderungen: „Wir haben noch stationäre Einrichtungen mit 100 bis 120 BewohnerInnen. Finnland ist uns da voraus. Die FinnInnen haben bereits mehr Erfahrung mit gemeindeintegrierten Wohnen. Erste europaweitere Erfahrungen zeigen, dass bei radikalen Schließungen der Einrichtungen – zum Teil, ohne die BewohnerInnen darauf ausreichend vorzubereiten und ohne dass die MitarbeiterInnen hinter der Veränderung standen – das eigentliche Ziel nicht erreicht werden kann. Eine gute Vorbereitung auf so einen Wechsel ist daher unbedingt nötig.“
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass Finnland mit dieser Umstellung begann, ohne bis heute die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert zu haben. Österreich hat dagegen die UN-Konvention unterschrieben. Sie gewährt Menschen mit Beeinträchtigungen dieselben Grundrechte bezüglich Wohnmöglichkeiten wie allen Menschen.

Kulturwechsel ist entscheidend, Politik und Gesellschaft müssen als Partner fungieren

Resümee der Veranstaltung ist für Mag. Stefan Pimmingstorfer: „Wir haben gesehen, dass andere Länder uns einiges voraus haben. Wir können daher in andere Länder schauen und von ihnen Modelle und Best-Practice-Beispiele übernehmen. Im Rahmen Kongresses wurde aufgezeigt, dass die Zukunft gemeinsam gegangen werden muss. Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam, und Menschen verschiedener Länder gemeinsam.“ Notwendig sei auch ein Kulturwechsel, so Dr.in Gertraud Assmann: „Die Veränderung, die notwendig ist, liegt nicht allein in der Auflösung der großen Einrichtungen. Wichtig ist, die Kultur zu ändern. Das geschieht durch Information und Weiterbildung  – der MitarbeiterInnen, aber auch der Menschen mit Beeinträchtigungen, damit sie ihre Rechte kennen und lernen, sich mehr zuzutrauen. Politik und Gesellschaft müssen dabei als Partner fungieren.“

„Wohnen“ in der Caritas für Menschen mit Behinderungen in Oberösterreich

Die Caritas für Menschen mit Behinderungen bietet an mehreren Standorten in Oberösterreich verschiedene Wohn- und Betreuungsformen an. Für Menschen mit Beeinträchtigungen ab dem 4. Lebensjahr bis ins hohe Alter stehen voll-, intensiv-, und teilbetreutes Wohnen und im Bezirk Grieskirchen zusätzlich eine „Mobile Betreuung und Hilfe“ zur Verfügung.
Die KundInnen (BewohnerInnen) wechseln zwischen den verschiedenen Wohnformen und Leistungsangeboten. Je nach individuellem Bedarf und Möglichkeiten findet zum Beispiel ein Wechsel von der Vollbetreuung in die Teilbetreuung mit nur mehr geringfügiger Unterstützung im Alltag statt. Dabei stehen die größtmögliche Selbstbestimmtheit und Selbständigkeit der KundInnen im Mittelpunkt der Arbeit der Caritas für Menschen mit Behinderungen.
(Foto und Text von Caritas in Oberösterreich)