Enquete von Land Oberösterreich Abteilung Soziales und Diakoniewerk lotet aus, was soziale und profitorientierte Unternehmen in punkto Personal- und Organisationsentwicklung voneinander lernen können.
Am Dienstag, 11. März, fand im Alten Rathaus Linz die Enquete „Voneinander lernen … Personal- und Organisationsentwicklung in sozialen und profitorientierten Unternehmen“ statt. Dass Personalentwicklung in sozialen Unternehmen schon längst ernst genommen wird, unterstrich der Umstand, dass auch der letzte freie Sessel im Saal des Pressezentrums im Alten Rathaus Linz besetzt war. PersonalentwicklerInnen, Führungskräfte aus den unterschiedlichen sozialen Unternehmen Oberösterreichs, WissenschafterInnen und ExpertInnen aus Politik und Wirtschaft waren gekommen, um vom spannenden Lernaustausch mit Wissenschaft und Praxis zu profitieren. Personalentwicklungsmethoden und –instrumente konnten in der Vergangenheit sehr gut vom Profit-Bereich in den Nonprofit-Bereich integriert werden. Dass der Einsatzbereich für diese Instrumente im Nonprofit-Bereich doch um einiges komplexer sein dürfte, zeigte die anschließende Podiusmsdiskussion.
„Kein Bereich ist einer derart dynamischen Entwicklung unterworfen wie der Sozialbereich!“ hebt Landesrat Ackerl die besondere Situation des Sozialbereichs in seinem Eingangsstatement hervor. „Die Aufgaben werden diffiziler und vielfältiger, unsere Klientinnen und Klienten werden mehr und berechtigterweise anspruchsvoller, und diesen sich ändernden Anforderungen gilt es in allen Bereichen, vor allem aber im Personalbereich, durch entsprechende Qualitätsstandards gerecht zu werden!“ Ackerl nennt beispielhaft für die Weiterentwicklungen das Chancengleichheitsgesetz, das neue Herausforderungen für Land wie Träger und Einrichtungen bringt, und das Sozialberufegesetz, das nur eine der Reaktionen auf die Veränderungen bei den Personalanforderungen im Sozialbereich ist.
„Die aktuelle und anhaltende Diskussion rund um das Thema Pflege verdeutlicht den zunehmenden Stellenwert von Personalentwicklung in Sozial- und Gesundheitsunternehmen. Es ist ein Signal, das ernst zu nehmen ist. Wir müssen Personalentwicklung entsprechend qualitätsvoll planen und umsetzen, so wie wir auch unsere Arbeit für und mit Menschen gestalten“, betont Dr. Gerhard Gäbler, Rektor des Diakoniewerkes in seinen Eröffnungsworten.
Der Mensch als kritischer Erfolgsfaktor
Noch nie gab es so viele Anfragen an das Universitätsinstitut für Unternehmensführung und Personalwirtschaft von Univ.-Prof. Dr. Wolf Böhnisch in Fragen der Personalentwicklung wie in den letzten Jahren – ein Modetrend? „Ganz bestimmt nicht“, so Böhnisch. „Auslöser für diese schon einige Zeit zu beobachtende Entwicklung sind die massive Expansion der Unternehmen, Übernahmen und Fusionen, die Situation am Arbeitsmarkt sowie die steigende Konkurrenz und damit verbunden eine steigende Komplexität, in der Unternehmen heute stehen – profit- wie non-profitorientierte Unternehmen“, erläutert Böhnisch. „Der Mensch – als kritischer Erfolgsfaktor – trägt wesentlich zum langfristigen Unternehmenserfolg und damit zur nachhaltigen Unternehmenssicherung bei“, so die These von Böhnisch. „Es sind die Menschen, die über den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmen entscheiden und darin unterscheiden sich Profit- und Nonprofit-Bereich nicht“, so Böhnisch weiter.
Absage an "Die-da-oben und Die-da-unten Kultur"
Eine erfolgreiche Personalentwicklung setzt seiner Ansicht nach daher auch beim Menschen direkt an – sie erfasst Potenziale, entwickelt Programme für Führungskräfte, setzt Weiterbildungsmaßnahmen und Aktivitäten der MitarbeiterInnenbindung. „Mitarbeiterbindung ist besonders bei Führungskräften wichtig. Gehen sie verloren, sind sie nicht nur nachzubesetzen, sie gehen auch meist mit ihrem erworbenen Wissen zur Konkurrenz“, berichtet Böhnisch. Neben Strategie und Struktur ist es vor allem die Kultur der Unternehmung, die für eine erfolgreiche Ausrichtung der Personalentwicklung wichtig ist. „Viele Unternehmen müssen ihre Organisationen umbauen, regionalisieren, dezentralisieren. In einer solchen Unternehmung hat eine `die-da-oben oder die-da-unten-Kultur` nichts zu suchen. Eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens, der wechselseitigen Annahme ist Grundbedingung für den Unternehmenserfolg!“ betont Böhnisch. Böhnisch hebt hervor, dass gerade in Matrix-Organisationen die „Kultur des gewollten Sachkonflikts“ ständig auszutragen ist.
Organisatorisch ist Personalentwicklung Sache des Top-Managements: „Dafür braucht es ein entsprechendes Committment, also ein Selbstverständnis, ein Verständnis für Ressourcen und schnelle Entscheidungen.“ „Eine exzellente Führungskraft sollte auch an der Anzahl der `entwickelten Stars` gemessen werden. Das heißt, einer guten Führungskraft ist die Förderung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter das wichtigste Anliegen“, betont Böhnisch abschließend.
Personal – vom Kosten- zum Erfolgsfaktor
Für Prof. Dr. Hanns-Stephan Haas, Direktor der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, liegt die Herausforderung „nicht in der Senkung der Personalkosten, sondern in einer konsequenten Entfaltung der Personalentwicklung.“ Haas verweist in seinem Vortrag auch auf geänderte Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes: „Der Arbeitsmarkt wird zunehmend weiblich, die ArbeitnehmerInnen werden älter und bilden sich weiter, sind lernend.“ Zudem ortet Haas gerade unter jüngeren Mitarbeitenden eine Änderung in der Wertehaltung: „Arbeit macht Spaß, man arbeitet nicht nur, um Geld zu verdienen. Sie möchten außerdem mehr Gestaltungsfreiheit in ihrer Arbeit und kommen mit flachen Hierarchien gut zurecht.“ Die zentrale Frage für Haas: „Wie werden wir diesen Entwicklungen in unseren Unternehmen im Sozialbereich gerecht?“ Die Antwort auf diese Frage hängt für Haas damit zusammen, wie gut und schlüssig es Unternehmen schaffen darzustellen, „dass die Arbeit mit und für Menschen mit Sinn erfüllt. Diese Sinnstiftung, das wissen wir aus Umfragen unserer Mitarbeitenden, ist der zentrale Schlüssel, warum Menschen in unseren diakonischen Unternehmen arbeiten.“
"Humane Mitunternehmer" und "innerlich Gekündigte"
„Wir brauchen in unseren Nonprofit Unternehmen `humane Mitunternehmer`, die unseren Auftrag, unsere Mission teilen und engagiert und ökonomisch verantwortlich mitarbeiten“, so Haas. Problematisch seien die `innerlich Gekündigten`, die keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit sehen und trotzdem bleiben. „Sind mehr als 20% der Mitarbeitenden aus dieser Gruppe, ist eine Nonprofit Organisation nicht mehr konkurrenzfähig“, betont Haas. Wie wird man nun aber eine lernende und durchlässige Unternehmung, die MitarbeiterInnen zur Eigenverantwortung befähigt und zu `humanen Mitunternehmern` macht? Bei dieser Frage ist Haas überzeugt, dass Entwicklung und Wertschöpfung nicht mehr an einzelnen Personen, an charismatischen Führungsverantwortlichen hängt: „Die Vision des Unternehmens ist nur mit der Vision der Mitarbeitenden zu erreichen!“ Und letztlich kommt es laut Haas darauf an, „ob wir es schaffen, einen Führungsstil zu etablieren, bei dem sich Mitarbeitende verstärkt autonom und eigenverantwortlich fühlen.“
Stimmen vom Podium
Relativ einig war man sich am 7-köpfigen Podium, dass der Nonprofit- bzw. Socialprofit-Bereich vom Profitbereich speziell in der Übernahme der Personalentwicklungsmethoden und -instrumente profitieren konnte und diese bereits weitgehend in die Unternehmen Einzug gehalten haben. Dass der Einsatzbereich der Instrumente allerdings um einiges komplexer sein dürfte, zeigte sich in der anschließenden Diskussion. Dr. Gerhard Gäbler, Rektor Diakoniewerk: „Menschen kommen in soziale Unternehmen, weil sie mit und für Menschen tätig sein wollen. Diese Sinnstiftung ist ein großer Unterschied zu der Motivation in Profit-Unternehmen zu arbeiten und dies verlangt auch andere Zugänge in der Personalentwicklung.“ Methoden seien seiner Einschätzung nach zwar zu übernehmen, doch auf jeden Fall differenziert anzuwenden. Besonderen Stellenwert räumt Gäbler hier auch der Sprache ein: „Ich finde die Entwicklung dramatisch, dass im Zusammenhang von Altenhilfe oder anderen sozialen Leistungen immer nur von Kosten gesprochen wird. Unser gesamter Arbeitsbereich wird ökonomisiert und wir laufen Gefahr, den Menschen, um den es eigentlich geht, aus den Augen zu verlieren!“
Mag. Herbert Schustereder, Personalentwickler Caritas OÖ, schließt sich dieser Einschätzung an und betont: „Wir konnten auf Ebene der Tools viel vom Profitbereich lernen, Methoden und Instrumente konnten umgesetzt werden. Doch ist der Einsatzbereich um einiges komplexer und es kann zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen.“ Die entscheidende Frage für Schustereder ist die Frage nach Innovation: „Wo entsteht Neues, wo passiert Innovation in einem Unternehmen? Der Innovationsdruck für neue Entwicklungen, neue Produkte ist im Profit-Bereich enorm groß. Dieser Innovationsdruck sollte auch uns im Sozialbereich, gemeinsam mit der öffentlichen Hand, ein zentrales Anliegen sein.“
Univ.-Prof.Dr. Wolf Böhnisch hält dem entgegen, dass „Barrieren zum Lernen nur in unseren Köpfen sind und dass Lernen offene Menschen braucht – und dies unabhängig von Profit- oder Nonprofit-Unternehmen.“ Böhnisch räumt allerdings ein, dass ihm im Laufe seiner beruflichen Erfahrung, die ihn in beide `Welten` führte, bestimmte Muster aufgefallen sind. „Beispielsweise werden gestörte Beziehungen am Arbeitsplatz meiner Beobachtung nach im Sozialbereich als eine größere Quelle der Kränkung angesehen als in Profit-Unternehmen.“ Eindeutig unterscheiden sich Nonprofit-Unternehmen darin, dass sie, anders als Profit-Unternehmen „keine Vergütungsmodelle und Prämiensysteme als Anreize bieten können.“ Sie seien allerdings auch nicht anderen Marktgesetzlichkeiten wie feindlichen Übernahmen, Verkaufen und Fusionen ausgesetzt.
Mag.a Renate Hackl, Abteilung Soziales Land OÖ, Aufgabengruppenleiterin Behindertenhilfe, kennt aus ihrer Erfahrung, dass „MitarbeiterInnen im Sozialbereich nach klaren Strukturen und raschen Entscheidungen hungern.“ In Profit-Unternehmen sei im Gegensatz dazu zu beobachten, dass danach „gehungert wird, sich sozial auszutauschen – beispielsweise über die getroffenen Entscheidungen.“
Unternehmensberater und Geschäftsführer Mag. Franz Auinger, Inovato, zu den `zwei Welten`: „Für mich sind beide Welten bunt. Der Nonprofit-Bereich ist in sich sehr vielfältig. Ich beobachte, dass der Socialprofit-Bereich stark von Experten geprägt wird und die Expertise in Richtung Mensch ein hohes Maß an Qualität erfordert. Unternehmerische Aspekte zu integrieren ist hier eine große Herausforderung.“ Von den erfolgreichen Profit-Unternehmen könne man lernen, „stärker auf Prozessmanagement zu setzen“, so Auinger.
Mag. Johannes Broucek, Personalleitung IFN-Holding AG berichtet, dass in seinem Unternehmen „die direkte Führungskraft für Personalentwicklung“ zuständig ist. „Als zentraler Personalentwickler stelle ich Tools und Know-How zur Verfügung und verstehe mich als Motor, dass Personalentwicklung gut funktioniert“, so Broucek. Gute Erfahrung hat Broucek mit dem Instrument des Erfahrungsaustausches gemacht: „Wir möchten, dass die einzelnen Standorte voneinander lernen und so haben wir einen Erfahrungsaustausch zwischen Meistern und Teamleitern initiiert.“ Er selbst tauscht sich auch regelmäßig mit anderen Personalentwicklern aus und hält den übergreifenden Expertenaustausch für wertvoll. Neu bei Internorm ist die Entwicklung eines Stärkenmanagements: „Wir orientieren uns immer noch zu stark an den Schwächen und Defiziten unserer Mitarbeiter. Aber kennen wir eigentlich ihre Stärken? Wo sind die Talente, wer kann gut kommunizieren, wer ist ein Empathie-Typ, wer kann gut verhandeln?“
(von Soziallandesrat Josef Ackerl und dem Diakoniewerk; Fotos: Land OÖ; Quelle: www.diakoniewerk.at)