Erstmals hat der Oberste Gerichtshof einer Familie die gesamten Lebenshaltungskosten für ihr Kind als Schadenersatz zugesprochen. Das Krankenhaus muss zahlen, weil eine Ärztin die Behinderung des Kindes bei einer Untersuchung nicht erkannte. Die Eltern, so ihre Argumentation, hätten das Kind abtreiben lassen, hätten sie von der Behinderung gewusst. Das Erstgericht hatte den Eltern nur den Mehraufwand wegen der Behinderung zugesprochen, nach dem Urteil des OGH muss nun der gesamte Unterhalt rückwirkend ab der Geburt bezahlt werden.
Die Begründung dieses Urteils ist penibel ausgeführt. Dem Einwand, dass ein Kind nicht als Schaden betrachtet werden kann, begegnet der OGH mit der Bemerkung, dass der Schaden nicht das Kind selbst darstelle, sondern die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Die obersten Richter sehen das Kind in seiner Menschenwürde nicht verletzt, der zugesprochene Schadenersatz diene im Gegenteil dem Kindeswohl. Sie gestehen auch zu, dass die Frage nach Schadenersatz im Zusammenhang mit der unerwünschten Geburt eines Kindes neben rein rechtlichen auch ethische und moralische Fragen aufwerfe.
Der Unterschied zwischen „Kind als Schaden“ und „Schadenersatz für die Eltern“, der auf den Feinheiten des österreichischen Schadenersatzrechtes basiert, ist für viele nicht leicht erkennbar, da das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Am ehesten unterscheidet die mütterliche – und zum Glück immer mehr auch die väterliche – Liebe. Trotz großer Herausforderungen stehen viele Eltern zu ihrem behinderten Kind und sie wollen auch ihr Kind so wie es ist.
Neben der physischen Demütigung und dem Entzug bestimmter Rechte ist die Entwertung einer bestimmten Lebensform eine zentrale Missachtung eines Menschen. Gegen diese Entwertung steht das Ringen um ein gemeinsames Wertesystem der Gesellschaft, in der jedes Subjekt ohne kollektive Abstufungen die Chance erhält, sich in seinen eigenen Leistungen und Fähigkeiten als wertvoll und willkommen für die Gesellschaft zu erfahren.
(von Dr. Josef Fragner, Chefredakteur „behinderte menschen“)