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Barrierefreiheit und Zugänglichkeit für BesucherInnen von Events sind wichtige Themen, die aber nicht von allen VeranstalterInnen den nötigen Stellenwert erfahren. Christina Riedler von FullAccess geht der Frage nach warum das so ist und welche Chancen sich für Veranstaltungen auftun, die sich dem Thema BesucherInnen mit Behinderung intensiv widmen.
Die Eventbranche boomt. Neue Veranstaltungsstätten sprießen aus dem Boden und nicht nur für Millennials ist „Live Communication“ mittlerweile zum Inbegriff einer zielgruppenorientierten und vor allem lukrativen Vermarktungsstrategie geworden. Möglichst „Green“ zu veranstalten klingt in Zeiten des „Plastiksackerl-Verbots“ mehr als logisch und doch verfällt die sonst so offene Branche in eine Art Schockstarre, wenn das Thema BesucherInnen mit Behinderungen angeschnitten wird.
Aber was macht BesucherInnen mit Behinderungen für VeranstalterInnen so unbeliebt und lässt sich ein Event auch „sozial nachhaltig veranstalten“?
Mein Name ist Christina Riedler und in meiner Funktion als Gründerin und Geschäftsführung der „FullAccess Event Services OG“ mit Sitz in Wien, konnte ich diesen Fragen, zusammen mit meiner Mitgründerin Martina Gollner, auch in einer Keynote mit anschließender Talkrunde bei der diesjährigen ersten Ausgabe der „BrandEx“ in Dortmund auf den Grund gehen. Um auch für diesen Artikel eine einheitliche Basis zu schaffen, erweist sich zunächst einmal mehr der Versuch einer Definition von Behinderung als sinnvoller Einstieg.
Behinderung definieren
Durchforstet man relevante österreichische und deutsche Gesetzestexte zu diesem Thema fällt auf, dass beide Länder Behinderung als eine „länger als sechs Monate andauernde – körperliche, geistige oder psychische Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren“, definieren.
In Österreich – und damit sind wir leider keine Ausnahme – wird Behinderung allerdings in erster Linie mit einer Mobilitätseinschränkung, genauer gesagt, mit der Benutzung eines Rollstuhls gleichgesetzt. Der Grund für diese Verallgemeinerung liegt auf der Hand, denn das Hilfsmittel – also der Rollstuhl – ist sichtbar. Erweitert man das Feld jedoch um chronische Erkrankungen, psychische Beeinträchtigungen oder intellektuelle Behinderungen, dann fällt auf, dass der Großteil der Behinderungen sozusagen „unsichtbar“ ist. Anhand dessen wird auch nachvollziehbar, dass der Verweis auf „bauliche Bestimmungen für Rollstuhlfahrer“ im Veranstaltungsgesetz zwar für diese Gruppe unabdingbar ist, aber gleichzeitig viel zu kurz greift. Darüber hinaus wird auch der Nutzen von Barrierefreiheit für Menschen ohne Behinderungen völlig außer Acht gelassen, denn „Barrierefreiheit ist essentiell für 10 Prozent der Bevölkerung, notwendig für 40 Prozent der Bevölkerung und komfortabel für 100 Prozent der Bevölkerung“.
Locations sind nie ganz barrierefrei
Gerade in der Eventbranche lässt sich über die Sinnhaftigkeit der Verwendung des Wortes „Barrierefreiheit“ streiten. Aus diesem Grund benutzen wir in unserer Arbeit ganz bewusst das Wort „Zugänglichkeit“ als direkte Übersetzung des englischen Begriffs „Accessibility“. Denkt man beispielsweise an entlegene Austragungsstätten von Open Air-Großveranstaltungen oder an abgeschiedene Alpendörfer, die als Austragungsorte internationaler Konferenzen herhalten, so werden diese, und unzählige andere Veranstaltungsstätten auch, nie komplett barrierefrei sein.
Deshalb also besser gar nix tun, wenn eine hundertprozentige Barrierefreiheit ohnehin nicht erreicht werden kann? – Nein. Denn eine Verbesserung der Zugänglichkeit lässt sich allemal herstellen. Immer. In jedem Fall.
Behinderung längst kein Nischenthema mehr
Auch das Vorurteil, dass es sich bei Behinderung lediglich um ein Nischenthema handeln würde, ist so nicht haltbar. Ausgehend von einer EU-weiten Gesamtbevölkerung von über 513 Millionen Menschen, haben rund ein Sechstel davon, also 85 Millionen Menschen sichtbare und/oder unsichtbare Behinderungen. Allein in Österreich sind das rund 1,3 Millionen Menschen. Noch dramatischer wird es, vergegenwärtigt man sich die Ergebnisse des „Behindertenberichts 2016“, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, in dem 57,8% dieser heterogenen Gruppe angaben, sich in der Freizeit aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt zu fühlen.
Eiertanz und Ignoranz
In unserer Arbeit wird immer wieder deutlich, dass VeranstalterInnen oft nicht wissen, wie sie mit dieser KundInnengruppe umgehen sollen. Das Spektrum reicht hier vom Eiertanz bis zur völligen Ignoranz. Wir haben unsere Agentur gegründet, um VeranstalterInnen bei der Verbesserung der Zugänglichkeit ihrer Veranstaltungsorte zu unterstützen und diese KundInnengruppe gezielt abzuholen. Um Zugänglichkeit zu schaffen, bedarf es keiner kostspieligen Umbauarbeiten. Unser Ansatz ist es vielmehr, über Information und diversitätssensible Kommunikation Zugänglichkeit herzustellen, um auf diese Weise einen offenen, freundlichen und kompetenten Umgang mit BesucherInnen mit allen Arten von Behinderungen zu gewährleisten.
Tatsächlich ist aber noch viel Basisarbeit zu leisten, da in den meisten Fällen sowohl das Verständnis für diese KundInnengruppe, als auch das Bewusstsein für das darin liegende Potential fehlt. Deshalb prägen wir die Phrase „sozial nachhaltig veranstalten“.
3 Denkfehler von VeranstalterInnen
Regelmäßig werden wir von Seiten der VeranstalterInnen mit Aussagen konfrontiert wie: „Ich will die Leute gar nicht dort haben“ oder „Auf den einen Behinderten mehr oder weniger kann ich verzichten.“
Dabei verkennen diese VeranstalterInnen das Potential dieser KundInnengruppe. denn Freizeitveranstaltungen werden nicht allein besucht. Es ist also nicht „der/die eine Behinderte“, dem/der man gönnerhaft einen Platz einräumt, sondern vielmehr eine Gruppe von Leuten, die ihre Freizeitgestaltung nicht nur davon abhängig machen, wo die Person mit Behinderung hingelangen kann, sondern wo sie sich auch willkommen fühlt.
Zudem lassen sich Freizeitangebote im Zeitalter von Social Media öffentlichkeitswirksam bewerten und gerade die Community der Menschen mit Behinderungen ist auch über die Grenzen Österreichs hinweg sehr gut vernetzt. Darüber hinaus ist anzuführen, dass auch langjährige BesucherInnen ohne Behinderungen älter werden. Wer Zeit seines/ihres Lebens als Fan Veranstaltungen besucht hat, wird nur schwer einsehen, weshalb er/sie im Alter auf einmal davon ausgeschlossen sein soll.
Es kann jeden treffen
Sich ohne Anlass mit dem Thema „Behinderung“ auseinanderzusetzen, fällt den meisten Menschen sehr schwer, denn es beinhaltet immer auch ein Auseinandersetzen mit der menschlichen Verwundbarkeit. Aber es ist eine Tatsache, dass Behinderung jede und jeden von uns jederzeit durch Erkrankung oder als Folge eines Unfalls betreffen kann.
Der österreichische Dirigent und Komponist Gustav Mahler soll ja gesagt haben, dass er bei einem drohenden Weltuntergang nach Wien ziehen würde, da dort alles erst fünfzig Jahre später passiert. Nun, ganz so unrecht hat er nicht damit, denn im angloamerikanischen Raum hat man nicht nur aus Angst vor horrenden Schadenersatzklagen, die Gruppe der KundInnen mit Behinderungen schon länger am Radar; mit positiven Auswirkungen aufs Image der Veranstaltung, den Ticketverkauf sowie auf den F&B-Konsum auf der Veranstaltung selbst.
Social Development Goals (SDGs)
Vom zunehmenden Druck, der nicht zuletzt von den „SDGs“ der Vereinten Nationen ausgeht, wird also auch Österreich in den kommenden Jahren nicht verschont bleiben. Man kann die Ziele der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, wie alles im Leben, eben als Bürde oder als Chance betrachten. Wie sich bei der „Plastiksackerl-Causa“ gezeigt hat, lassen sich nachhaltige Entwicklungen nicht aufhalten. Auf lange Sicht stellt es sich immer als ökonomischer heraus, vorne mit dabei zu sein und innovative Angebote wie das von „FullAccess“ können dabei helfen.
Denken Sie daran: Glückliche KundInnen bleiben länger, konsumieren mehr und kommen wieder. Und im Letzten kann es sich niemand leisten – auch die boomende Eventbranche nicht – auf KundInnen zu verzichten.

(Quelle:www.eventfex.com)