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Die Interessensvertretung von Menschen mit Beeinträchtigungen (IVMB) und das Sozialressort des Landes OÖ hat erstmals das Gütesiegel „Sexualität und Beeinträchtigung“ an vier Träger der Behindertenhilfe verliehen. Damit werden Einrichtungen vor den Vorhang verliehen, die Menschen mit psychischer, geistiger und körperlicher Behinderung ermöglichen, Liebe, Partnerschaft und Sexualität erleben und leben zu können. Ziel ist es, damit ein Tabuthema zu brechen.

Erarbeitet wurde das Konzept vom Verein Senia, der Fach- und Beratungsstelle zum Thema Sexualität und Beeinträchtigung in Oberösterreich, gemeinsam mit dem Land Oberösterreich. „Die Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe, Sex und Zärtlichkeit für Menschen mit Beeinträchtigung steckt leider noch in den Kinderschuhen und ist auf gleich mehreren Ebenen ein Tabu. Jeder hat ein Recht auf Liebe und Sexualität. Begleitung und Unterstützung sollten aus dem natürlichen Empfinden heraus eine Selbstverständlichkeit sein. Aus diesem Grunde ist eine stärkere Sensibilisierung und Verankerung in den Organisationen zu diesem Thema wichtig“, so Anna Wolfesberger, Leiterin des Vereins Senia. Ziel des Gütesiegels ist es, die Einrichtungen mit der Auszeichnung sichtbarer zu machen. Als erste wurden alle Einrichtungen von Assista, mehrere Einrichtungen von Caritas Invita und der Volkshilfe sowie die Woge Wels ausgezeichnet.

Gütesiegel zur Sicherung von Qualitätsstandards

Das kreierte Gütesiegel „Sexualität und Beeinträchtigung“ soll als Qualitätsstandard im Wirkungsbereich des Chancengleichheitsgesetzes etabliert werden. Gemeinsam mit dem jeweiligen Träger wird dabei festgelegt, wie mit den Themen „Liebe, Zärtlichkeit, Partnerschaft, Sexualität, Missbrauch“ umgegangen wird. Dies reicht von strukturellen Überlegungen bis hin zu inhaltlichen Positionierungen. Es gibt außerdem Vorgaben, über welches Mindestmaß an Fachwissen jeder Mitarbeiter, jede Gruppe oder Einrichtung verfügen muss. So soll es neben einem Grundwissen in allen Einrichtungen, auch einige Mitarbeiter geben, die die Themenführerschaft übernehmen sollen und dafür individuell stärker geschult werden.
Die individuelle Begleitung der Kunden muss sichergestellt sein. Es soll Klarheit darüber geben, wie die individuellen Unterstützungsangebote aussehen. Gemeinsam wird eine offene Form des Umgangs entwickelt, damit auch dieser Themenbereich gut ins Leben integriert werden kann. „Nur über die Normalisierung der Sexualität für die Kunden kann eine zielführende Missbrauchsprophylaxe stattfinden“, ist Wolfesberger überzeugt.

Auch Angehörige sollen ins Thema miteingebunden werden

Da gerade bei den Angehörigen oftmals viel Unsicherheit mit dem Thema Sexualität verbunden ist. Erschient es wichtig, dauerhaft mit den Angehörigen im Kontakt zu sein. Auch hier sollen unterschiedliche Szenarien entwickelt werden, wie dieser Kontakt auszusehen hat.
„Bei den Organisationen, die nun als erste alle Qualitätsstandards erreicht haben, wird es natürlich nach zwei Jahren eine Evaluierung stattfinden und dann kann das Gütesiegel erneuert werden“, erklärt die Leiterin des Vereins Senia.

Prävention durch Workshops und Beratung

Um dieses Tabu zu brechen, beschäftigt sich der Verein Senia seit Jahren mit diesen Themen und bietet ein breites Angebot von Workshops zum Thema Sexualität für Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Angehörige bis hin zu Beratungsgesprächen. „Früher wurden wir immer erst gerufen, wenn z.B. bereits ein sexueller Übergriff stattgefunden hat. Wir wollen niemandem etwas drüberstülpen, aber es geht in erster Linie um Präventionsarbeit“, so Wolfesberger.
Mehr Infos: www.senia.at