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An der FH Joanneum in Graz gibt es die erste akademische Ausbildung für Peer-Berater für Menschen mit Behinderung. Die Teilnehmer mit Körper- und Sinnesbehinderung können ihre Erfahrungen in der Arbeitswelt einbringen.

Um den Lehrgang wurde seitens der Fachhochschule jahrelang gerungen – Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) und Wissenschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) einigten sich zuletzt auf eine geteilte Finanzierung zu je 140.000 Euro. Damit können nun 20 Männer und Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen – teils mit körperlichen Handicaps, teils mit Sinneseinschränkungen – den Lehrgang besuchen. Das Angebot ist für die Teilnehmer kostenlos.

„Sinnerfülltes Leben“ für Betroffene

Die Ausbildung richtet sich auch an Frauen und Männer, die keine Matura haben, aber mit akademischem Niveau im Berufsleben Fuß fassen wollen. Der wissenschaftliche Geschäftsführer der FH, Karl Peter Pfeiffer, sagte, dass die Menschen sich durch künftige Arbeit ein „sinnerfülltes Leben” geben können. Er sprach auch vom „langen Atem”, den Lehrgangsleiter Martin Gössl brauchte. Die Ausbildung ist laut Pfeiffer eine „Bereicherung für die Vielfältigkeit an der FH“. Der kaufmännische Geschäftsführer, Martin Payer, hob hervor, dass man vom Lehrgang an der Hochschule auch lernen werde – etwa den Umgang mit Tieren, denn Begleithunde für blinde Menschen werden künftig wohl dazugehören.

Absolventen schon jetzt gefragt

Der Lehrplan der Ausbildung wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein „Selbstbestimmt Leben Steiermark” erarbeitet: Für Vereinsobmann Robert Konegger ist der Lehrgang ein „Schritt in die Arbeitswelt”, den die Teilnehmer wagen. Institutionen würden sich jetzt schon auf die Absolventen freuen. Vereinsmitglied Dietmar Ogris, der als blinder Mensch mit einem Begleithund durchs Leben geht, lobte die FH: „Es braucht schon Mut einer Hochschule, einen Blinden mit Braillezeile hineinzusetzen.”

Evaluierung der Inhalte

Nach den drei Semestern sollen die Inhalte evaluiert werden, um mögliche Verbesserungen zu finden. Im Raum stünde etwa auch eine Ausweitung des Angebots für Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernschwäche, sagte Kampus. Dafür würden aber wieder andere Rahmenbedingungen nötig sein. Dass es nach den ersten drei Semestern weitere Lehrgänge geben wird, sei für die Landesrätin keine Frage des „ob”, sondern des „wie”. Man wolle jedenfalls die Rückmeldungen der Lehrenden – etwa 50 Prozent von ihnen haben übrigens selbst eine Behinderung – sowie der Studierenden abwarten.

Nach Abschluss des Lehrgangs sind die Teilnehmer akademische Peer-Berater, die als Betroffene ihre Erfahrungen und Kompetenzen künftig in der Arbeitswelt einbringen wollen. Beispielsweise könnten sie bei den regionalen Beratungszentren für Menschen mit Behinderung, die das Land Steiermark 2020 in den Bezirken anbieten will, arbeiten, meinte Kampus. Ein erstes derartiges Zentrum wurde vor wenigen Tagen in Voitsberg eröffnet.
(Quelle: ORF.at)