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(von Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensternoe.arbeiterkammer.at; Quelle: APA-OTS)

AKNÖ-Juristin Karin Matzinger: "3 Jahre Rechtsstreit endete mit Erfolg für behinderte Arbeitnehmer"

Müssen Menschen mit angeborener Behinderung, die unter Aufbietung aller Kräfte Jahrzehnte lang einen Beruf ausüben, bei Verlust des Arbeitsplatzes ein Fall für die Sozialhilfe werden? Das wollte das Rechtsschutzbüro der Niederösterreichischen Arbeiterkammer genau wissen und focht einen entsprechenden Fall bis zum Obersten Gerichtshof durch. “Wir haben den Fall gewonnen”, konnte Mag. Karin Matzinger, Leiterin des AKNÖ-Rechtsschutzbüros Wiener Neustadt bei einer Pressekonferenz verkünden, “der arbeitslos gewordene Facharbeiter kann sein Arbeitsleben in Würde beenden, er bekommt nach 3 Jahren des Prozessierens eine Pension zuerkannt”.

Trotz einer  angeborenen Behinderung am Arm erlernte der heute 48-jährige Dietmar S. den Lehrberuf Werkstoffprüfer Physik und arbeitete von 1976 bis 1994 im erlernten Beruf und von 1994 bis 2001 als Qualitätskontrollor. Nachdem Dietmar S. im Jahr 2001 seinen Arbeitsplatz verloren und es im Anschluss daran nicht geschafft hatte, neue Arbeit zu finden, stellte er im Herbst 2002 einen Antrag auf Invaliditätspension. Die Pensionsversicherungsanstalt lehnte seinen Antrag mit Bescheid vom 8. März 2003 ab. Daraufhin wandte sich der Facharbeiter an die AKNÖ, die ihm Rechtsschutz gewährte und ihm im Verfahren vor dem Landesgericht Wr. Neustadt die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Mahler-Hutter zur Seite stellte.

Wichtige Entscheidung für behinderte Facharbeiter

Die ersten beiden Instanzen lehnten die Zuerkennung einer Invaliditätspension ab. Im wesentlichen begründeten diese Gerichte ihre Entscheidung damit, dass sich seit dem Beginn seines Berufslebens keine wesentliche Änderung in der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klienten ergeben hätte. Da es also zu keinem “Herabsinken der Arbeitsfähigkeit” gekommen sei und der Kläger noch diverse Hilfsarbeitertätigkeiten ausüben könnte, sei Invalidität nicht gegeben. AKNÖ-Arbeitsrechtsexpertin Mag. Matzinger: “Allerdings war mit Beginn 2004 eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach ein/e Versicherte auch dann als invalide gilt, wenn er/sie vor erstmaliger Aufnahme einer Beschäftigung infolge von Krankheit oder Behinderung außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dennoch aber mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben hat.” Das bedeutet im Klartext, dass auch jemand der objektiv gesehen arbeitsunfähig ist, aber trotzdem wegen besonderer Anstrengungen, auf Kosten der eigenen Gesundheit oder wegen des besonderen Entgegenkommens eine/r Arbeitgeber/in 10 Jahre angemeldet arbeitet, einen Anspruch auf Invaliditätspension hat. Da auch das Oberlandesgericht in Wien Invalidität trotzdem verneint hatte, wurde von der AKNÖ der Auftrag erteilt, ein Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof einzulegen. Erst in 3. Instanz stellten die Höchstrichter fest, dass der Facharbeiter Anspruch auf eine Invaliditätspension hat. Und zwar deshalb, weil er seinen erlernten Beruf – trotz angeborener Behinderung – 26 Jahre lang ausgeübt hat, obwohl dies von vornherein objektiv gesehen unmöglich schien. Dietmar S. hatte das Unmögliche möglich gemacht. Damit hat der OGH klargestellt, dass bei  Menschen, die vom Beginn des Berufslebens objektiv arbeitsunfähig sind, auch der Berufsschutz gilt und dass weiters, anders als vor der Novelle, kein Herabsinken der Arbeitsfähigkeit mehr notwendig ist.