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Wie blindenfreundlich ist die Stadt?
Mühsam oder problemlos: Wie der Alltag blinder Menschen verläuft, liegt nicht zuletzt an der Infrastruktur ihres Wohnortes – Blindenverband stellt Linz anlässlich des ,,Tages des weißen Stockes“ am Sonntag ein gutes Zeugnis aus

Linz: Ampeln, Schilder, Anzeigetafeln an der Haltestelle: Ein schneller Blick, und wir navigieren uns weitgehend mühelos durch den öffentlichen Raum. Menschen, die blind oder stark sehbehindert sind, haben diese Möglichkeit nicht. Laut Statistik Austria betraf das im Jahr 2015 mehr als 55. 000 Personen in Österreich. Auf ihre Situation soll der, Tag des weißen Stocks“ am 15. Oktober aufmerksam machen.

 Wie ihr Alltag verläuft, liegt nicht zuletzt daran, ob Städte und Gemeinden auf sie Rücksicht nehmen.  , In Linz haben wir Glück“, sagt Ferdinand Kühltreiber (76), Obmann des Oberösterreichischen Blinden und Sehbehindertenverbands(OÖBSV).

Sensoren und Smartphone-Apps

Ein Beispiel sind die mehr als 80 taktilen Ampeln: Mit Hilfe eines eigenen Senders, der einem Autoschlüssel ähnelt, können Blinde das akustische Signal auslösen. Dieser Sender ist auch bei den Bussen und Straßenbahnen der Linz AG Linien einsetzbar. „Wenn die Straßenbahn in die Haltestelle einfährt, drücke ich auf den Knopf und höre die Durchsage: „Linie 1 Richtung Universität“. Kühltreiber. Einen Kritikpunkt hat Josef Vorderderfler (60): ,,Die Sprachausgabe an den Ticketautomaten ist sehr leise eingestellt.“
Apps wie ,,wann“, die den Nutzer ortet und ihn über nächstgelegenen Haltestellen sowie Abfahrtzeiten informiert, helfen zusätzlich. Smartphones seien generell eine große Unterstützung für blinde Menschen. „Ich kann in einem Restaurant die Speisekarte fotografieren und eine App liest mir den Text“, sagt Vorderderfler. Lokale, die Karten in Brailleschrift haben, sind selten, lesen könnten sie nur zehn Prozent der Sehbehinderten. Vorderderfler, der von Geburt an blind ist, gehört zu ihnen. Wer Später seine Sehkraft verliert, lernt Braille oft nicht mehr. Immer häufiger im öffentlichen Raum zu sehen sind auch Leitliniensysteme, Rillen im Boden, an denen sich Blinde mit dem Stock orientieren können. Für sie ist es ärgerlich, wenn dort Reklameständer platziert werden oder Menschen darauf stehen. „Aber die Leute handeln nicht aus Bosheit, sondern weil sie nicht wissen, wofür die Rillen dienen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, hier zu informieren“, sagt Kühtreiber.  Beschweren will er sich über die Linzer nicht. Natürlich gebe es auch hier unfreundliche und rücksichtslose Menschen, ,,aber vergeht kaum ein Tag, an dem mich nicht jemand fragt, ob ich Hilfe brauche.“
(Beitrag aus den OÖ Nachrichten, Oktober 2017)