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(von ÖVP Parlamentsclub; Quelle: APA-OTS)
Mit Unverständnis reagierte der selbst betroffene Sprecher für behinderte Menschen im Nationalrat, Abg. Dr. Franz Joseph Huainigg auf das jüngste OGH-Urteil, in dem ein Gynäkologe für die Existenz eines behinderten Kindes haftbar gemacht werden soll. “Diese Entscheidung des OGH bedeutet in letzter Konsequenz, dass ein Arzt dafür haften muss, dass ein Kind nicht abgetrieben worden ist. Meine Herren, das kann es nicht sein, zumal ja das StGB die Abtreibung `nur` straffrei stellt und festschreibt, dass kein Arzt zur Durchführung oder Mitwirkung an einer Abtreibung verpflichtet ist und die österreichische Bundesverfassung eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung untersagt!”, sagte Huainigg.

Sollte sich diese Rechtsprechung durchsetzen, “dann ist Feuer am Dach! Dann müssen wir uns in der nächsten Legislaturperiode ernsthaft mit der Frage befassen, wie durch eine gesetzliche Regelung die Haftung der Ärzte neu geregelt werden kann und wie die Beratung vor, während und nach einer pränatalen Diagnose weiter entwickelt und ausgebaut werden kann”, so Huainigg. Denn der Druck auf Ärzte, alle nur erdenklichen pränatalen Diagnostikverfahren anzuwenden, werde ungemein erhöht. Auch der Druck auf Eltern – insbesondere auf Frauen – werde enorm zunehmen, `perfekte` Kinder auf die Welt zu bringen. Gleichzeitig stellen aber Methoden wie die Fruchtwasserpunktion wiederum ein Risiko für den Embryo dar.

Nach der Geburt ihres Kindes mit Down-Syndrom klagte die Mutter auf Schadenersatz. In zwei Instanzen wurden die Forderungen abgewiesen, der OGH hob diese Entscheidungen wieder auf, was schlussendlich eine Verurteilung des Arztes auf Kostenersatz des gesamten Lebensunterhaltes des Kindes bedeuten kann. “Das ist für mich unvorstellbar”, so Huainigg. “Ein Arzt kann nicht für die Existenz eines anderen Menschen haftbar gemacht werden! Die Aufgabe des Arztes ist es zu heilen und nicht über das Lebensrecht eines Kindes zu urteilen.” Die Geburt eines behinderten Kindes sei auch kein ärztlicher Kunstfehler. Im vorliegenden Fall habe der Arzt nach Meinung Huainiggs auch keinen Behandlungsfehler gemacht und sei seiner Beratungspflicht korrekt nachgekommen. “Der Arzt hat die Mutter eindringlich aufgefordert, die Risikoambulanz aufzusuchen, weil eine zusätzliche Abklärung notwendig war. Zudem ist Down-Syndrom eine Behinderung und kann nicht durch therapeutische Behandlung im Mutterleib geheilt werden.” Menschen mit Down-Syndrom haben bei entsprechender Förderung und Integration gute Perspektiven auf ein zufriedenes Leben inmitten unserer Gesellschaft. “Behinderung darf nicht immer nur als Schaden und Tristesse angesehen werden.”

“Es gibt kein Recht auf ein nicht behindertes Kind”, stellte der Politiker weiters fest. “Daher gibt es auch keine Pflicht des Arztes, alles zu unternehmen, um die Geburt eines behinderten Kindes zu verhindern.” Behinderung kann nicht aus der Welt geschafft werden, nur ein Prozent aller Behinderungen sind überhaupt vorgeburtlich erkennbar. Behinderungen durch die Geburt selbst sind weitaus häufiger. Das Urteil werde massive Auswirkungen auf den Umgang mit Schwangerschaft haben, sagte Huainigg und forderte gesetzliche Anpassungen, damit Ärzte nicht für die Existenz eines behinderten Kindes haftbar gemacht werden können. Weiters brauche es eine bessere Information für Ärzte im Umgang mit dem Thema Behinderung, “Leider sind Ärzte hier oft überfordert”. Die psychosozialen Beratungen für werdende Mütter seien dringend auszubauen. “Eine bessere Beratung soll werdenden Eltern die Entscheidung für ein behindertes Kind ermöglichen. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen zur Integration und Gleichstellung behinderter Menschen im Sinne des heuer in Kraft getretenen Gleichstellungsgesetzes ausgebaut werden”, so der Behindertensprecher abschließend.